Krankheiten - Berlin:Kalayci: Maßnahmen wirksam, aber Höhepunkt steht noch bevor

Abgeordnetenhaus
Dilek Kalayci (SPD), Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, spricht im Roten Rathaus. Foto: Annette Riedl/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Berlin (dpa/bb) - Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus zeigen laut Berlins Gesundheitssenatorin Wirkung. Grund zur Entwarnung sei das aber noch nicht, der Höhepunkt der Pandemie stehe noch bevor, sagte die SPD-Politikerin Dilek Kalayci am Montag im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses. Wie es nach dem 20. April weitergehe, werde bundeseinheitlich abgestimmt. Alle Länder seien diesbezüglich in einer "Schicksalsgemeinschaft". Bisher hielten sich die meisten Menschen an die Regelungen und zeigten sich trotz schönen Wetters vernünftig, sagten mehrere Ausschussmitglieder. Eine Übersicht über die aktuellen Entwicklungen:

FALLZAHLEN: Man schaue in Berlin darauf, wie schnell sie sich verdoppelten, sagte Kalayci. Diese Zeit habe sich auf zehn Tage verlängert. Das sei eine gute Entwicklung. Zu sehen sei aber auch, dass das momentan noch relativ niedrige Durchschnittsalter der Infizierten von derzeit 41 Jahren ansteige, so die Senatorin. Es seien immer mehr Ältere betroffen, die zur Risikogruppe für schwerere Verläufe von Covid-19 zählen. Die infizierten Verstorbenen - bisher 26 an der Zahl - seien im Schnitt 81 Jahre alt. Bisher sind in Berlin mehr als 3680 Coronavirus-Infektionen nachgewiesen.

MASKENPFLICHT: Einen AfD-Antrag, wonach Bürger verpflichtet werden sollen, etwa beim Einkaufen eine Maske über Mund und Nase zu tragen, lehnten die Ausschussmitglieder mehrheitlich ab. Mehrere Politiker appellierten jedoch an die Bevölkerung, freiwillig beim Einkaufen oder in Bussen und Bahnen eine Maske zu tragen. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Albers (Linke) mahnte hingegen, dass sich Maskenträger in falscher Sicherheit wiegen könnten. Würden Stoffmasken nicht korrekt gehandhabt, könnten sie zu Virenschleudern werden. Zudem sei eine Schutzwirkung nicht wissenschaftlich erwiesen.

PFLEGEHEIME: Nach einer Reihe von Corona-Todesfällen bei Pflegeheimbewohnern in anderen Städten liegt darauf ein besonderer Fokus. In Berlin seien in dieser Gruppe bisher 73 Infektionen und 4 Todesfälle nachgewiesen, sagte Kalayci. 25 Mitarbeiter seien positiv getestet worden. Insgesamt seien bisher elf Einrichtungen vom Coronavirus betroffen. Es werde aktuell ein Konzept für Notpflege-Unterbringung erstellt.

Aus einem Heim in Berlin-Britz war zuletzt eine Häufung von Fällen bekannt geworden: Zwei Bewohner und ein ehrenamtlicher Helfer starben nach einer Corona-Infektion. Insgesamt sind 20 Menschen aus dem Pflegeheim nachweislich infiziert, weitere Ergebnisse standen aus.

AUSRÜSTUNG: Von den zwei Millionen Schutzmasken, die am Wochenende in Berlin angekommen sind, soll etwa ein Viertel der Altenpflege zu Gute kommen. 500 000 Stück Mund-Nasen-Schutz gingen schnell in diesen Bereich, sagte Kalayci. Generell sei trotz der Lieferung von nennenswertem Umfang nicht der Gesamtbedarf an Ausrüstung gedeckt.

Kalayci betonte, Berlin prüfe bei den Angeboten sehr genau die Seriosität und greife nicht immer sofort zu. Auch der Transport sei ein großes Problem. So lägen noch eine Million Mundschutze in Peking, weil Anbieter auf dem veränderten Markt vorgeben könnten, wohin sie liefern. Ein Amtshilfeersuchen an die Bundeswehr sei Ende März gestellt worden, sagte Kalayci.

Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Tim-Christopher Zeelen, warf der Senatorin mangelnde Transparenz vor: So gebe es etwa keine Übersicht, wann was wo bestellt worden sei, sagte er.

KRANKENHÄUSER: Sie sind angehalten, leere Betten für die erwartete Zunahme von Covid-19-Patienten zu schaffen - 560 Euro bekommen sie pro freien Platz und Tag, wie Kalayci ausführte. In Kliniken behandelt würden derzeit 507 Infizierte, davon 126 auf einer Intensivstation. Kalayci sieht die Kliniken sehr gut aufgestellt: Sie erhöhten ihre Kapazitäten von gut 1000 auf 2200 Betten, davon hätten 1800 Beatmungsmöglichkeiten. Parallel sei Personal für den Umgang mit Covid-19-Patienten sowie mit Beatmungsgeräten geschult worden.

TESTS: Momentan liegt die Kapazität bei mehr als 8000 pro Tag. Bis das Ergebnis vorliegt, dauert es laut Senatorin 24 Stunden. 10 000 Tests pro Tag würden angestrebt. Angesichts von 3,8 Millionen Einwohnern müsse man gezielt testen, etwa Personal aus Medizin und Pflege. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Florian Kluckert, forderte mehr Tests. Nur anhand besserer Zahlen könnten die weiteren Maßnahmen realistisch eingeschätzt werden.

Wann Antikörper-Tests zum Einsatz kommen, ist Kalayci zufolge offen. Man wolle diese einsetzen, sobald die Qualität stimme. Bei der Bewertung verlasse man sich auf das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Mit solchen Tests ließe sich prüfen, wer die Infektion schon hinter sich hat.

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