Prozesse - Leipzig:Ärger nach Urteil zum A49-Ausbau: Waldbesetzer bleiben aktiv

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Ein "Autobahn Ende"-Schild steht am Ausbauende der Autobahn A 49. Foto: Uwe Zucchi/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Stadtallendorf (dpa/lhe) - Einen Tag nach der Gerichtsentscheidung zugunsten der Baufortsetzung der A49 in Mittelhessen hat das Urteil zu einem geteilten Echo von Befürwortern und Kritikern geführt. Während Landtagsparteien sowie betroffene Landkreise den Beschluss begrüßten, reagierten Naturschützer und Umweltverbände verärgert. Der hessische Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Hessen) fordert von der Landesregierung einen Aufschub der Pläne.

Das hessische Verkehrsministerium erklärte aber: Mit dem Bau des Teilstücks bei Stadtallendorf solle noch in diesem Jahr begonnen werden. Die erforderlichen Rodungen in Waldgebieten seien ab Oktober möglich, erklärte eine Sprecherin in Wiesbaden. Die Baumfällarbeiten dürften zu Konflikten mit in der Region seit Monaten aktiven Waldbesetzern führen. Der BUND kritisierte die geplante Rodung des Dannenröder Forstes. Dabei handele es sich um einen intakten und 250 Jahre alten Mischwald. Im Dannenröder Forst sind laut Polizei nach wie vor Waldbesetzer aktiv. Sie wollen mit ihrem Protest für Aufmerksamkeit sorgen und den Wald schützen. Ein Konflikt mit ihnen deutet sich an.

Die Waldbesetzer kündigten an, ihre Aktion fortzusetzen. Es bleibe notwendig, "den Wald unter dem Einsatz unserer Körper zu schützen". Es gebe nun keine juristische Instanz mehr, die den Wald bewahren könne. Die Besetzung des Waldes gerate nun unter "erhöhten Druck". Die Aktivisten erklärten laut einer Mitteilung der Gruppe "Wald statt Asphalt", dass es ein Skandal sei, dass in Deutschland weitere Autobahnen gebaut würden - in Anbetracht der Klimakrise.

Jörg Nitsch, Vorsitzender des BUND Hessen, sagte nach dem Urteil: "Planungsdinosaurier wie die Autobahn A 49 gefährden die Zukunft. Der Klimawandel ist bereits eine akute Gefahr für unsere Wälder. Nötig ist deshalb eine schnelle Konzentration aller Mittel auf die Verkehrswende." Die A49 dürfe nicht gebaut werden, forderte der BUND. "Denn Baurecht ist keine Baupflicht! Die Landesregierung sollte sich bei der Bundesregierung und gegenüber den anderen Bundesländern für ein Moratorium beim Straßenneubau und eine Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans einsetzen."

Der BUND war am Dienstag vor dem Bundesverwaltungsgericht mit einer Klage gegen den Weiterbau gescheitert. Das Gericht in Leipzig wies die Klage des BUND sowie eine weitere eines privaten Grundstücksbesitzers ab (Az.: BVerwG 9 A 22.19 und 9 A 23.19). Die Kläger hatten erreichen wollen, dass der bereits bestandskräftige Planfeststellungsbeschluss für das Teilstück zwischen Stadtallendorf und Gemünden/Felda zurückgenommen oder zumindest außer Vollzug gesetzt wird. Der Weiterbau der Autobahn soll Kassel und Gießen besser miteinander verbinden.

Doch noch gibt es kein Ende der juristischen Auseinandersetzungen. Den Bundesrichtern in Leipzig liegt noch eine weitere Klage vor. Drei Landwirte wenden sich gegen die Planungen, weil ihnen Enteignung drohe (BVerwG 9 A 8.19). Eine Entscheidung soll am 2. Juli verkündet werden. Sollten diese Klagen ebenfalls abgewiesen werden, könnte danach der Zuschlag an den Auftragnehmer für das Projekt erfolgen, teilte das Verkehrsministerium in Wiesbaden mit.

Der geplante und umstrittene Autobahnabschnitt führt von Stadtallendorf-Nord über 17,5 Kilometer nach Süden zum Ohmtal Dreieck und knüpft dort an die A5 an. Weiter nördlich befindet sich noch ein weiterer Planungsabschnitt: Er führt über 13,3 Kilometer von Stadtallendorf-Nord nach Schwalmstadt. Ein noch weiter nördlich verlaufendes Teilstück ist bereits im Bau. Es ist 11,8 Kilometer lang und verbindet dann Schwalmstadt mit Neuental. Es soll Mitte des Jahres 2022 fertig sein, wie eine Sprecherin der Bauherrin DEGES (Deutsche Einheits- und Fernstraßen GmbH) mitteilte.

Der Naturschutzbund in Hessen sagte zum Urteil: "Die Entscheidung ist für uns eine Enttäuschung. Wir halten den Neubau von Straßen generell für falsch und sehen den vorrangigen Bedarf in der Sanierung des bestehenden Straßennetzes und dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Ob die A49 angesichts ihrer hohen Bau- und Unterhaltungskosten und angesichts ihrer geringen wirtschaftlichen Vorteile tatsächlich gebaut werden soll, muss nun wieder die Politik entscheiden."

Unterstützung für den Autobahn-Weiterbau kommt von der Landrätin des Kreises Marburg-Biedenkopf, Kirsten Fründt (SPD). Die Entscheidung des Gerichts schaffe nun Rechts- und Planungssicherheit. Der Ausbau sei für den Landkreis von großer Bedeutung, "weil er auf der einen Seite einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandortes Marburg-Biedenkopf leistet, auf der anderen Seite auch zur Entlastung der Bürger in den Orten beiträgt, die derzeit stark vom Durchgangsverkehr belastet sind." Die vorliegenden Planungen sehen umfangreiche und ausgewogene Ausgleichsmaßnahmen für die notwendigen Eingriffe in die Natur vor, wie Fründt betonte. "Wichtig ist, dass jetzt eine rechtssichere Entscheidung vorliegt, die von allen Beteiligten akzeptiert und respektiert werden sollte."

Der Landrat des Vogelsbergkreises, Manfred Görig (SPD), sagte: Über den Ausbau der A49 werde seit nahezu 40 Jahren diskutiert. "Jetzt ist es an der Zeit, das Projekt umzusetzen." Mit dem Urteil sei eine "wichtige Hürde" genommen. Auch der Gießener Regierungspräsident Christoph Ullrich freute sich über eine "gute Entscheidung".

Der CDU-Landtagsabgeordnete aus dem Vogelsbergkreis, Michael Ruhl, befand: "Der Weiterbau der A49 ist eines der zentralen Verkehrsprojekte in Mittelhessen." Nachdem nun gerichtlich bestätigt worden sei, dass die bestehenden Beschlüsse rechtskräftig seien, solle "endlich mit den bauvorbereitenden Maßnahmen begonnen werden". Insbesondere die Anwohner der Bundesstraßen B3 und B254 würden durch das Projekt von Lärm und Abgasen des Schwerlastverkehrs entlastet. Die Region erhalte einen wichtigen Lückenschluss. "Das ist für die Pendler und den Tourismus, aber auch für die vielen Betriebe und Unternehmen in Mittelhessen eine wichtige Perspektive." Unterstützung kam auch von der FDP im Landtag. Es müsse zügig weitergebaut werden.

Mit seiner Klage hatte der BUND erneut probiert, gegen die Planungen vorzugehen, weil es inzwischen eine neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Wasserrecht gibt. Die Trasse führe durch ein Wasserschutzgebiet, das auch für die Trinkwasserversorgung des Rhein-Main-Gebietes von Bedeutung sei. Für den BUND ist es die zweite Niederlage vor Gericht in der Sache. Bereits 014 hatten sich die Bundesrichter damit befasst und die Klage abgewiesen.

Für das Leipziger Gericht kam eine Rücknahme oder ein Widerruf der Planungen laut Urteil vom Dienstag nicht in Betracht. Sie seien zwar mit Blick auf die europäische Wasserrahmenrichtlinie fehlerhaft. Das deutsche Wasserrecht sei aber flexibel genug, um die Richtlinie rechtssicher umsetzen zu können. Den Planfeststellungsbeschluss außer Vollzug zu setzen, wäre unverhältnismäßig, erklärte das Gericht.

Der BUND erklärte, dass vom Autobahn-Ausbau das Gleental mit seinem überregional bedeutsamen Trinkwasserschutzgebiet besonders betroffen sei. Darauf habe der Zweckverband Mittelhessische Wasserwerke (ZMW) im Oktober 2019 hingewiesen. Der ZMW betreibe in unmittelbarer Nähe der geplanten Trasse Förderbrunnen und versorge rund eine halbe Million Menschen mit Trinkwasser. Der BUND befürchtet: Vor allem durch die tiefe Gründung von Brückenbauten werde es laut ZMV durch den Straßenbau Verunreinigungen des Grundwassers geben.

Das Verkehrsministerium erklärte, dass noch ein wasserrechtliches Gutachten eingeholt werde. Es solle alles, was hilfreich sein könnte, untersucht werden. Der Ausbau werde aber nicht infrage gestellt.

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