Fußball:Bosz reiste mit Feyenoord-Fan drei Wochen nach Südamerika 

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Reiste mit einem Feyenoord-Fan einst nach Südamerika: Leverkusen-Coach Peter Bosz. Foto: Marius Becker/dpa (Foto: dpa)

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Leverkusen (dpa) - Manchmal erhält Peter Bosz einen Tipp von ganz unverhoffter Seite. Dann entdecken seine Kinder auf der Konsole einen neuen Spieler und empfehlen ihm, diesen dringend zu holen.

Und dabei liegen sie oft gar nicht so falsch. "Sie kannten Neymar schon vor mir, als er noch bei Santos war", sagt der Trainer des Fußball-Bundesligisten Bayer Leverkusen im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur und lacht herzhaft.

Belächelt werden solche Tipps vom Niederländer nicht. Er sei "grundsätzlich für jeden Input offen", sagt Bosz. Und er meint damit wirklich für jeden. Was ein Beispiel aus seiner Zeit als Sportdirektor bei Feyenoord Rotterdam (2006 bis 2009) beweist. Jeden Morgen, wenn Bosz sich an den Rechner setzte, erwartete ihn eine E-Mail eines Fans. Darin enthalten: Vorschläge, welche Spieler er verpflichten sollte. "Das hatte er schon bei meinem Vorgänger gemacht", sagt Bosz. Der habe den Mann aber irgendwann geblockt.

Bosz las aus dem Mails große Fachkenntnis heraus. "Also wollte ich den Mann kennenlernen." Er erwartete, "einen alten Mann, der vielleicht nicht mehr viel zu tun hat und sich deswegen den ganzen Tag mit Feyenoord beschäftigt. Aber es war ein Student", berichtet Bosz: "Er war in Anführungszeichen "nur" ein Fan, aber er war gut. Also habe ich ihn auf eine dreiwöchige Reise nach Südamerika mitgenommen. Danach hat er drei Jahre für Feyenoord gearbeitet, dann ging er zu Juve und danach nach Liverpool."

Die Geschichte widerlegt, dass Bosz das sein soll, was ihm nach seiner nur fünfmonatigen Zeit bei Borussia Dortmund nachgesagt wurde. Stur. Dieses Wort spricht Bosz mit merklichem Widerwillen aus. Das Aus in Dortmund nach nur fünf Monaten trotz Top-Starts im Jahr 2017 sitzt immer noch tief beim sonst so entspannten und lockeren Coach. 

Das zeigt seine Erzählung vom legendären 4:4 im Derby gegen den FC Schalke 04 nach 4:0-Führung. Er habe sich das Spiel "danach nicht wieder angeschaut", verrät Bosz, der normalerweise jede Partie direkt im Anschluss "vier, fünf Stunden lang analysiert". Und als ihn eine Aufzeichnung des Spiels kürzlich im Fernsehen auf dem falschen Fuß erwischte, sei er überrascht gewesen, "dass Roman Weidenfeller im Tor stand und nicht Roman Bürki." Normalerweise kann Bosz die Entstehung jeder entscheidenden Szene aus jedem Spiel seiner Teams schildern.

Die Gründe für das Scheitern beim BVB glaubt er, gefunden zu haben. Darüber sprechen mag er nicht. Vor allem nicht nachtreten. Dass Bayer unter ihm von allen 18 Bundesligisten am meisten gelaufen ist, erzeugt angesichts des damaligen Vorwurfs der mangelnden Fitness Zufriedenheit in ihm. Vielleicht sogar Genugtuung. Denn in Leverkusen startete er im Januar 2019 mit der Vorgabe, die Menschen in Deutschland sollten "den wahren Peter Bosz" kennenlernen. Auf die Frage, ob ihm das gelungen sei, antwortete er: "Ich denke ja."

Und in der Tat: In Leverkusen schwärmen sie alle von Bosz. Auch als die Saison mit zwei Enttäuschungen endete - Bayer verpasste das Ziel Champions League und verlor das Pokalfinale gegen den FC Bayern (2:4) - stellte ihn niemand auch nur im Ansatz in Frage. Sie mögen seine Mischung aus Strenge und Lockerheit, mit er auch das von Top-Clubs umworbene Ausnahme-Talent Kai Havertz (21) reifen ließ. "Ich sehe mich als Trainer wie eine Art Pendelwaage", sagt Bosz: "Wenn Dinge zu sehr ausschlagen, versuche ich sie auszubalancieren." Havertz habe ihn auch in seine Zukunfts-Pläne eingeweiht, verrät Bosz. Verraten wird er sie selbstverständlich nicht.

Ganz offen gibt er einen Titel mit den seit 1993 trophäenlosen Leverkusenern als Ziel aus. "Ich habe die Geschichten gehört von Vizekusen. Aber ich spreche immer mit dem Herzen", sagt er. Im Pokal war Bayer schon nahe dran an dem erlösenden Titel. Umso größer ist nun der Ehrgeiz in der Europa League. Das Finalturnier findet in Nordrhein-Westfalen statt, das Endspiel um die Ecke in Köln. Der Titel sei "absolut möglich", sagt er.

Es wäre auch der erste große für Bosz, der vor Ajax Amsterdam, Dortmund und Leverkusen eher kleine Vereine trainierte. Ewig wolle er nicht mehr Trainer sein, sagt der 56-Jährige. "Vielleicht noch drei Jahre, vielleicht auch acht." Und er hegt den Traum vom Bondscoach in seiner Heimat, aber das hat Zeit. "Es geht im Fußball immer um Timing", sagt er. In Dortmund war es wohl einfach das falsche.

© dpa-infocom, dpa:200802-99-11450/2

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