Brände - Erfurt:Thüringen will Moria-Flüchtlinge aufnehmen

Brände
Rauch steigt aus Container-Häuser und Zelten im Flüchtlingslager Moria auf. Foto: Panagiotis Balaskas/AP/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Erfurt (dpa/th) - Raus aus Moria: Nach dem Großbrand in dem Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos fordern mehrere Politiker der rot-rot-grünen Koalition in Thüringen die Aufnahme weiterer Flüchtlinge. "Griechenland braucht Hilfe, die Menschen brauchen Hilfe und Lesbos braucht Hilfe", sagte Ramelow am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Das Lager sei durch den Brand faktisch geräumt, die Menschen seien aber alle noch da. "Nun braucht es eine europäische Hilfsaktion und Deutschland muss dort seinen Beitrag leisten", sagte Ramelow. Es brauche eine "Entlastungsaktion für Griechenland und eine Umverteilung von Schutzsuchenden".

Das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos wurde bei dem Brand in der Nacht zu Mittwoch fast vollständig zerstört. Verletzt wurde nach ersten Erkenntnissen niemand. Die griechische Regierung geht von Brandstiftung aus. Moria gilt mit derzeit etwa 12 600 Bewohnern als größtes Flüchtlingslager Europas - diese Menschen sind nun obdachlos. In der Vergangenheit hatte es immer wieder Kritik an den Zuständen in dem Lager gegeben, das als überfüllt galt.

Ramelow sagte, die Situation in Moria sei bereits vor dem Brand immer katastrophaler geworden und es habe eine Überforderung sowohl der Geflüchteten als auch der Menschen in der Nachbarschaft gegeben. "Für mich ist das ein Tatbestand der europäischen Schande."

Sowohl Ramelow als auch Thüringens Migrationsminister Dirk Adams (Grüne) machten mit Nachdruck klar, dass Thüringen bereit sei, mehr Menschen aus den Lagern der griechischen Inseln aufzunehmen. "Wir müssen jetzt unbedingt handeln und die Menschen aus den Lagern aus der Ost-Ägäis herausholen. Die Thüringer Bereitschaft hier einen Teil beizutragen, liegt weiter vor. Bisher blockiert der Bund das aber", sagte Adams. Die Thüringer Landesregierung hatte schon vor Monaten beschlossen, rund 500 Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, scheiterte damit aber am Widerstand des Bundes.

Ramelow forderte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf, den Weg zur Aufnahme von mehr Flüchtlingen frei zu machen. Es gebe neben Thüringen mehrere andere Bundesländer, die bereit seien, Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufzunehmen. Dem "Spiegel" sagte Ramelow, wenn Seehofer zu der humanitären Hilfszusage aus Erfurt weiterhin nein sage, "dann muss er die von uns angebotenen Kontingente als Bund übernehmen".

Es gehe nicht, "dass wir zu Moria schweigen", sagte der Thüringer Regierungschef. Schon vor dem Brand seien die Zustände in dem Lager "brandgefährlich und inhuman" gewesen. Adams sagte: "Ich habe viel Verständnis dafür, dass man auf Bundesebene sagt, "Wir brauchen eine europäische Lösung."" Der Brand habe aber gezeigt, dass Hilfe jetzt geleistet werden müsse.

Bedenken aus der CDU, ein deutscher Alleingang könnte den Eindruck erwecken, die Bundesrepublik würde Flüchtlinge allein aufnehmen, wies Ramelow zurück. "Dahinter verstecken sich diejenigen, die das C in ihrem Parteinamen vergessen haben - das C für christlich, christliche Nächstenliebe und Humanität", sagte der Linke-Politiker, der selbst bekennender Protestant ist.

Zuvor hatte sich der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg, gegen eine nationale Hilfsaktion für die dort lebenden Menschen ausgesprochen.

Nach Angaben des Sprechers des Bundesinnenministeriums, Steve Alter, gibt es Gespräche mit der griechischen Regierung. Er erklärte: "Wir haben Griechenland in der Vergangenheit geholfen und wir werden selbstverständlich auch jetzt helfen". Innenminister Seehofer habe dies bereits angeboten.

Auf die Frage, ob Seehofer jetzt bereit sei, Ländern und Kommunen, die sich schon länger zur Aufnahme von Geflüchteten aus Moria bereiterklärt hatten, dies zu gestatten, sagte der Sprecher in Berlin: "Die aktuelle Situation stellt uns vor Herausforderungen, aber das ist kein Grund, unsere bisherige Rechtsordnung infrage zu stellen." In welcher Art und Weise Deutschland nun Hilfe leisten werde, hänge von entsprechenden Anforderungen der griechischen Regierung ab. Die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz erklärte: "Wir brauchen eine solidarische europäische Lösung."

Der migrationspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Hartung, fordert Seehofer auf, alles rechtlich Mögliche zu tun, um die Menschen vor Tod, Krankheit, Obdachlosigkeit und Perspektivlosigkeit zu bewahren. "Der Bundesinnenminister kann nicht länger tatenlos bleiben. Ich bin der Auffassung, dass eine europäische Lösung die beste wäre, aber es reicht nicht, nur darauf zu warten", erklärte Hartung.

Auch viele andere Thüringer Politiker reagierten größtenteils mit Bestürzung auf das Feuer in Moria und forderten Hilfe für die Geflüchteten. Zudem meldete sich die Migrationsbeauftragte Mirjam Kruppa zu Wort. Die Bundesregierung habe die Rückendeckung mehrerer Länder, darunter Thüringen, sich für die sofortige Verteilung der Menschen in den Lagern einzusetzen, teilte sie mit. "Sich trotzdem angesichts der Not einer Soforthilfe zu verweigern, widerspricht den Werten von Solidarität und Menschenrechten, auf denen sich die Europäische Union einst gegründet hat", so Kruppa.

Der Chef der Innenministerkonferenz, Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), forderte nach einem Bericht der "Welt" die Bundesregierung auf, "kurzfristig Kontingente der Geflüchteten auf Lesbos zu übernehmen".

Die Thüringer CDU-Fraktion warnte erneut vor Alleingängen bei der Flüchtlingsaufnahme. Damit würde man "den Eindruck zu erwecken, dass Deutschland bereit ist, die Lasten der Flüchtlingskrise alleine zu Schultern", erklärte der migrationspolitische Sprecher der Thüringer CDU-Fraktion, Marcus Malsch.

Derweil gab die Polizei bekannt, dass die Flüchtlingshilfsinitiative Bündnis Seebrücke Jena wegen des Brands in Moria für den Abend in Jena eine Demonstration mit rund 200 Teilnehmern angemeldet hat. Auch für Donnerstag seien in Erfurt und Weimar Demonstrationen angekündigt worden.

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