Theater - München:Zuschauer-Obergrenze trifft Theater hart

Augsburg
Ein Zettel mit der Aufschrift "Sitzplatz Freigegeben!!!" hängt an einem Sitzplatz im Zuschauerraum eines Theaters. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/Archiv (Foto: dpa)

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München (dpa/lby) - Für die Theater in Bayern ist eine Obergrenze von 50 Zuschauern bei sehr hohen Corona-Infektionszahlen ein schwerer Schlag. "Eine Begrenzung auf nur 50 Personen macht aus einem modernen, offenen Haus ein elitäres Bollwerk", kritisierte die Bayerische Staatsoper in München, wo seit Montag verschärfte Corona-Regeln gelten. Den Häusern brechen wichtige Einnahmen weg, viele sehen sogar ihren Kulturauftrag in Gefahr. Trotzdem wollen die meisten weiter spielen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab, auch wenn statt 200 nur noch 50 Besucher kommen dürfen. Einige stellen den Spielbetrieb dagegen ganz oder teilweise ein, weil es für sie mit 50 zahlenden Gästen schlicht nicht mehr rentabel ist.

"Gerade haben wir die Planungen für eine Bespielung unseres Hauses fertig, die wir sowohl auf der Bühne umsetzen als auch vor 200 Gästen einigermaßen wirtschaftlich abbilden können. Diese Arbeit war umsonst, wenn die Regelung so bleibt", hieß es vom Deutschen Theater in München. "Vor 50 Gästen wird es bei uns keine Vorstellungen geben, da dies wirtschaftlich nicht machbar ist." Das Mainfranken Theater, das sein Großes Haus gerade saniert, bespielt die Außenspielstätte "Theaterfabrik Blaue Halle" vorerst nicht mehr, nur im Ratssaal Würzburg soll es weitergehen.

Christian Stückl will sein Münchner Volkstheater offenhalten. "Wir wollen uns nicht zusperren lassen", schreibt sein Theater. "Das ist nicht wirtschaftlich, aber unser Kulturauftrag." Doch ein lohnender Betrieb sieht anders aus. Rund 300 Gäste wären im Volkstheater notwendig. Auch das Residenztheater erklärt, mit 50 Zuschauern könne man nicht mehr kostendeckend spielen. Das Haus hofft nun auf eine Sonderregelung für Theater nach dem Vorbild anderer Bundesländer.

Am Staatstheater Nürnberg sieht man die drohende Obergrenze auch mit Sorge. Intendant Jens-Daniel Herzog will aber weitermachen und digitale Formate stärker in den Blick nehmen. "Wir sind fest entschlossen, auch weiterhin gegen die Leere im Theater anzuspielen."

Sein Münchner Kollege Nikolaus Bachler von der Staatsoper wollte zusammen mit dem Residenztheater und dem Staatstheater am Gärtnerplatz mit einem Antrag die Begrenzung der Zuschauerzahlen abwenden. Bachler hatte mit den Erfahrungen eines Pilotprojekts argumentiert, an dem die Staatsoper, die Münchner Philharmonie und die Meistersingerhalle in Nürnberg beteiligt waren. Statt 200 durften sie 500 Zuschauer einlassen. Der Versuch belege, dass es bei der Größe des Nationaltheaters und bei Einhaltung vorbeugender Maßnahmen sehr gut möglich sei, vor 500 oder noch mehr Besuchern zu spielen, so Bachler.

Doch das Kunstministerium beschied anders: "Ich habe Verständnis für das Anliegen der Branche und weiß, dass es momentan sehr schwierig ist", sagte Kunstminister Bernd Sibler (CSU). Man müsse nun umsichtig und vorsichtig reagieren. Der Pilotversuch und damit die Erlaubnis einer maximalen Zuschauerzahl von 500 Personen gelte aber automatisch als ausgesetzt, sobald die andere Regelung greife. Sibler verwies auf den Kulturrettungsschirm und geplante Künstler-Hilfsprogramme. Auch das Münchner Kreisverwaltungsreferat lehnte Anträge unter Verweis auf die bayerische Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung ab.

Ganz verstehen können das die Theater nicht: "Funktionierende Hygienekonzepte machen Theater- und Konzerträume derzeit zu den sichersten Orten in der Freizeitgestaltung", ist die Leitung des Mainfranken Theaters in Würzburg überzeugt. Die Theatermacher hätten sich gewünscht, dass die Politik die jeweiligen Bedingungen vor Ort stärker berücksichtigt hätte.

Eine Ansicht, die viele teilen: "Wir empfinden diesen Erlass als Willkür, da Kultureinrichtungen in den letzten Monaten bewiesen haben, dass sie gute Hygienekonzepte ausgearbeitet haben und sichere Orte sind", heißt es auf der Internetseite der Münchner Kammerspiele. Zusätzlich zu den bereits erheblichen Einnahmeverlusten erwarte man nun "potenziell weitere Defizite in Millionenhöhe". "Ob und wie wir unter diesen Umständen den Spielbetrieb aufrechterhalten können, müssen wir mit dem Kulturreferat erörtern", sagte eine Sprecherin. "Im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhaltes erachten wir es für wichtig, die letzten öffentlichen Räume nicht aufzugeben."

Die Lage in Theatern und anderen Kultureinrichtungen lasse sich nicht pauschal bewerten, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. "Dies hängt von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten ab, vom Platz, der zur Verfügung steht und vom Hygienekonzept." Warum es etwa bei Gottesdiensten keine Obergrenze gibt, hat laut Ministerium mit der im Grundgesetz verankerten Religionsfreiheit und Versammlungsfreiheit zu tun. Eine Einschränkung der Teilnehmerzahl wäre ein schwerwiegender Grundrechtseingriff, so der Sprecher. Die Kirchen gingen sehr verantwortungsbewusst mit dieser Verpflichtung um und brächten konsequente Schutzkonzepte zur Anwendung.

Immer mehr Städte und Regionen in Bayern überschreiten den Signalwert von 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche. Am Dienstag waren laut Robert Koch-Institut (RKI) Städte wie München, Augsburg, Rosenheim, Würzburg oder Bayreuth über der Schwelle, ab der in Bayern nur noch Veranstaltungen mit höchstens 50 Menschen erlaubt sind. Nürnberg lag nur noch knapp unter dem Wert.

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