Umwelt - Frankfurt am Main:Blockadeaktion im Dannenröder Forst: Rodung pausiert

Deutschland
Teilnehmer der Demonstration gegen den Ausbau der A49 in der Frankfurter Innenstadt. Foto: Arne Dedert/dpa (Foto: dpa)

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Homberg (dpa/lhe) - Ein Bagger wird von Aktivisten belagert, Wasserwerfer bringen sich in Position, kommen dann aber nicht zum Einsatz - die Proteste gegen den umstrittenen Weiterbau der Autobahn 49 im Dannenröder Forst in Mittelhessen reißen nicht ab.

Rund 400 teils in weiße Anzüge gekleidete Menschen ziehen am Sonntagmorgen zu der bereits abgeholzten und mit Zäunen und Natodraht abgesicherten Schneise in dem Waldstück, um die Arbeiten aufzuhalten. Als etwa 150 von ihnen einen Bagger blockieren, stellt die Polizei den Demonstranten mehrfach Ultimaten und droht mit dem Einsatz der Wasserwerfer. Schließlich kommt es zu einer "kommunikativen Lösung", wie die Polizei später erklärt - die Aktivisten geben den Bagger frei, der in das eingezäunte Areal gefahren wird. Die Bilanz des Tages: Zwei Menschen wurden in Gewahrsam genommen, gegen drei wurden Ermittlungs- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet und fünf Platzverweise ausgesprochen.

Aufgerufen zu der Aktion hatte das Bündnis "Ende Gelände", das sich damit dem Protest des Bündnisses "Wald statt Asphalt" sowie der lokalen Initiative "Keine A49" anschließe, wie Sprecherin Ronja Weil sagte. Man habe die Polizei für längere Zeit an einem Ort "gebündelt" und den Aktivisten, die das Waldstück seit mehr als einem Jahr aus Widerstand gegen das Verkehrsprojekt besetzt halten, eine Pause verschafft. "Im Danni sehen wir die Realität schwarz-grüner Klimazerstörung", so die Sprecherin.

Seit dem 10. November ist die Polizei täglich mit einem Großaufgebot im Dannenröder Forst, um Barrikaden und Baumhäuser der Waldbesetzer zu räumen und die Baumfällungen zu sichern. Am Sonntag pausierten die Rodungen allerdings - aus Rücksicht auf den Totensonntag, wie die Polizei via Twitter erklärte. "Lediglich die erforderlichen Aufräumarbeiten im Forst werden durch uns ermöglicht."

Noch bis Ende der Woche war allerdings damit gerechnet worden, dass auch am Sonntag Bäume gefällt würden, was unter anderem bei Kirchenvertretern auf Kritik stieß. Der Propst für Oberhessen, Matthias Schmidt, begrüßte daher auch den Rodungsstopp am Sonntag: "Eine Unterbrechung wie heute kann helfen, wieder zur Besinnung zu kommen."

"Ende Gelände" wertete die Rodungspause am Sonntag als Erfolg der morgendlichen Blockadeaktion. Am Mittag twitterte das Bündnis: "Wir haben es geschafft! Heute fällt kein Baum, weil wir mit 400 Menschen die Rodung blockieren!"

Am Nachmittag protestierten der Polizei zufolge etwa 400 Autobahn-Gegener friedlich auf dem Sportplatz Dannenrod. Bei Einbruch der Dämmerung zogen Aktivisten nach eignen Angaben mit Lampions, die mit dem Slogan "Danni bleibt" bedruckt waren, in den Wald.

Zuletzt hatte sich die Lage im Dannenröder Forst bei den Räumungen der Baumhaus-Camps und den Rodungen nach mehreren Zwischenfällen zugespitzt. Erst am Vortag war eine weitere Aktivistin bei einem Sturz von einer in vier bis sechs Metern Höhe mit Seilen an Bäumen befestigten Holzpalette schwer verletzt worden, wie die Polizei mitteilte. Zudem kam nach ihren Angaben bei der Bergung zweier Aktivisten, die sich am Freitag in 20 bis 25 Meter Höhe mit Seilen gesichert auf einer Plattform aneinandergeklammert hätten, ein Elektroimpulsgerät zum Einsatz.

Bereits am 15. November war eine Aktivistin von einem hochbeinigen Gestell abgestürzt und hatte sich schwer verletzt. Verantwortlich dafür soll laut der Staatsanwaltschaft Gießen ein Polizist gewesen sein, der zuvor ein Seil durchtrennt habe, das mit dem Gestell verbunden gewesen sei. Die Verbindung soll für den Beamten nicht erkennbar gewesen sein. Die Demonstranten haben der Polizei wiederholt vorgeworfen, bei den Räumungen Menschenleben zu gefährden.

Insgesamt sollen im Dannenröder Forst auf einer Fläche von 27 Hektar Bäume für den Weiterbau der Autobahn fallen. Ein Drittel davon ist nach Angaben der Projektgesellschaft Deges bereits gerodet. Die Autobahn soll nach der Fertigstellung Kassel und Gießen direkter miteinander verbinden.

Vorangegangen waren bereits Rodungen im Herrenwald bei Stadtallendorf (Kreis Marburg-Biedenkopf) sowie im Maulbacher Wald nahe Homberg/Ohm im Vogelsbergkreis. Umwelt- und Klimaschützer halten das Verkehrsprojekt angesichts der Klimakrise für verfehlt und fordern eine umweltfreundliche Verkehrswende. Die Befürworter versprechen sich davon weniger Verkehrs- und Lärmbelastung in den Dörfern der Region sowie eine bessere Verkehrsanbindung.

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