Polizei - München:Mehr als 1400 Corona-Infektionen bei bayerischen Polizisten

Direkt aus dem dpa-Newskanal

München (dpa/lby) - Seit Beginn der Corona-Pandemie haben sich mehr als 1400 Polizisten in Bayern mit dem Virus infiziert. Das teilte das bayerische Innenministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in München mit. 1264 der insgesamt 1436 Polizisten gelten als geheilt. Mit Stand Mittwoch (13. Januar) waren 172 Beamte noch akut infiziert. Damit haben sich innerhalb von nur gut anderthalb Monaten 572 Polizeibeamte mit SARS-CoV-2 infiziert. Am 23. November 2020 lag die Gesamtzahl der infizierten Polizisten in Bayern noch bei 864, wie aus einer Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion hervorgeht.

Die meisten infizierten Polizeibeamte hatte der Antwort zufolge bis Ende November die Bereitschaftspolizei (219), gefolgt vom Polizeipräsidium München (104). Beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd traten 93 Fälle auf, in Oberbayern Nord 86, in Mittelfranken 83, in der Oberpfalz 54, in Oberfranken 51 und in Niederbayern 50.

Bei den restlichen Polizeipräsidien wurden weniger als 50 Fälle festgestellt: beim Polizeipräsidium Schwaben Süd/West 39, beim Polizeipräsidium Unterfranken 37 und in Schwaben Nord 27. Beim Landeskriminalamt wurden 21 Beamte positiv getestet, während beim Polizeiverwaltungsamt bis Ende November 2020 noch gar kein Beamter nachweislich infiziert war. Als Ansteckungsmomente wurden unter anderem die Teilnahme an Schulungen oder Besprechungen genannt. Andere Polizisten gaben an, sich bei Festnahmen oder bei der Ersten Hilfe angesteckt zu haben - oder weil sie im Dienst angespuckt wurden.

Der SPD-Innenexperte Stefan Schuster wirft der Regierung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor, die Beamten teilweise unnötig in Gefahr zu bringen: "Unsere Polizei macht in dieser Pandemie einen tollen Job, aber sie wird von der Söder-Regierung auch verheizt", sagte er. "Sie muss teilweise unsinnige Regeln wie die 15-Kilometer-Leine überwachen und auch fachfremd in dem Gesundheitsämtern aushelfen. Dabei sind unsere Polizisten immer nah an den Bürgern und damit auch einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt."

32 Polizeibeamte haben laut Antwort der Staatsregierung auf die Anfrage bis Ende November nach ihrer Corona-Infektion einen Antrag auf Anerkennung als Dienstunfall gestellt - alle Anträge wurden abgelehnt. Am Verwaltungsgericht München haben inzwischen nach Angaben eines Gerichtssprechers vom Donnerstag vier Polizisten Klage gegen den negativen Bescheid eingereicht. Dabei handle es sich um Polizisten der Bereitschaftspolizei, die angeben, sich zu Beginn der Pandemie angesteckt haben - bei einem Sportlehrgang oder einer Prüfung.

Das Finanzministerium begründet die Ablehnung laut Informationen aus der Regierungsantwort auf die SPD-Anfrage beispielsweise damit, dass Ort und Zeitpunkt der Ansteckung nicht genau nachvollziehbar sei oder die Infektion nicht "über das allgemeine Ansteckungsrisiko hinaus in besonderer Weise durch die Dienstausübung verursacht" wurde.

Die SPD wirft der Staatsregierung Geiz vor. Sie lege eine "kaltherzige Bürokratie und Knauserigkeit an den Tag", kritisierte Schuster. "Niemand kann hundertprozentig beweisen, wo er sich infiziert hat. Das ist unmöglich und völlig realitätsfern. Die Staatsregierung weiß doch bis heute selbst überhaupt nicht, wo Infektionen stattfinden." Polizisten seien an vorderster Front einer besonderen Infektionsgefahr ausgesetzt. "Sie erwarten daher zurecht, dass ihr Einsatz auch gewürdigt wird, wenn sie im Zusammenhang mit ihrem Dienst erkranken."

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte sich im Herbst noch beim Finanzministerium dafür eingesetzt, die Anträge der erkrankten Polizisten wohlwollend zu prüfen. "Wir haben beim zuständigen Finanzministerium nachdrücklich um eine erneute Prüfung der Haltung zur Anerkennung von Infektionen mit SARS-CoV-2 als Dienstunfälle gebeten", sagte ein Sprecher des Innenministeriums. "Das Finanzministerium hat uns daraufhin versichert, dass jeder Einzelfall gewissenhaft geprüft wird." Allerdings habe das Finanzministerium darauf verwiesen, dass es unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen "einer über das allgemeine Ansteckungsrisiko hinausgehenden Gefährdungslage bedarf", um eine Infektion als Dienstunfall anerkennen zu können.

"Der Innenminister hat medial verbreitet, er würde sich beim Finanzminister für die erkrankten Beamten stark machen. Jetzt zeigt sich, dass das nichts als heiße Luft war", kritisiert SPD-Innenexperte Schuster.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: