Gesellschaft:Pandemie droht soziale Ungleichheit zu verschärfen

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Die Pandemie verschärft die soziale Ungleichheit - manch einer ist auf die Hilfe von Fremden angewiesen, wie hier eine Frau an einem Gabengeländer. Foto: Uwe Zucchi/dpa/Symbolfoto (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Massive Geldprobleme, Arbeitslosigkeit, Freistellungen: Die Corona-Pandemie hat Menschen mit geringem Einkommen besonders hart getroffen - und droht die Ungleichheit in Deutschland weiter zu verschärfen. Dies geht aus einem umfassenden Sozialbericht hervor.

Das Statistische Bundesamt, das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) veröffentlichten diesen Bericht gemeinsam. Für den Datenreport 2021 wurden amtliche Statistiken mit empirischen Befunden der Sozialforschung kombiniert. Drei Befunde:

1. Die Pandemie trifft Geringverdiener besonders hart

Im ersten Lockdown waren Menschen mit höherem Einkommen zwar häufiger von Einkommenseinbußen betroffen, die Folgen der Pandemie trafen Menschen mit Niedrigeinkommen aber härter: Etwa jeder Fünfte gab an, in Finanznöten zu stecken oder dies zu befürchten. Die Befragungen liefen von Ende März bis Anfang Juli vergangenen Jahres.

WZB-Experte Philip Wotschack sagte bei der Vorstellung des Berichts über die Menschen mit Niedrigeinkommen (unterstes Fünftel der Bevölkerung in Bezug auf das Einkommen): "Sie waren in Zahlungsschwierigkeiten geraten, mussten Kredite aufnehmen, waren in ernsthafte Geldprobleme geraten, mussten möglicherweise auf Ersparnisse zurückgreifen, Sozialleistungen beantragen oder ihren Lebensstandard drastisch einschränken."

Unabhängig vom Beruf waren Alleinerziehende mit 25 Prozent am häufigsten von finanziellen Problemen betroffen. Menschen mit Migrationshintergrund berichteten fast doppelt so häufig von finanziellen Schwierigkeiten wie Menschen ohne Migrationshintergrund (15 beziehungsweise 8 Prozent). Neben Selbstständigen (20 Prozent) berichteten an- und ungelernte Arbeiter (17 Prozent) und einfache Angestellte (14 Prozent) besonders häufig von Geldproblemen. Bei Menschen in qualifizierten Angestelltenberufen (9 Prozent) war der Anteil deutlich niedriger.

"Die untersten Einkommensgruppen waren häufiger von Freistellungen und Arbeitslosigkeit betroffen und mussten häufiger vor Ort arbeiten. Die obersten Bildungs- und Einkommensgruppen waren häufiger in der Lage, ihre Arbeit auch im Homeoffice zu erledigen", erläuterte Wotschack.

2. Ungleiche Bildungschancen - vor und nach Corona

Nach wie vor hängen die Bildungschancen in Deutschland den Angaben zufolge stark von der sozialen Herkunft ab. Zwei von drei Kindern an Gymnasien haben demnach Eltern, die selbst Abitur gemacht hatten. Nur acht Prozent der Gymnasiasten haben Eltern mit Hauptschulabschluss oder gar keinem Abschluss.

Thomas Krüger von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) sagte: "In den Schichten mit niedrigerem Einkommen fehlt es nun im Home-Schooling nicht selten an angemessener technischer Ausstattung." Demnach standen Familien mit hohem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen (5000 bis unter 18 000 Euro) Anfang 2020 im Durchschnitt vier PCs zur Verfügung. In der untersten Einkommensgruppe (unter 2000 Euro) waren es durchschnittlich zwei Geräte.

"Bezogen auf Kinder muss man einfach sagen, dass die Gesellschaft nicht nur insgesamt ungleicher geworden ist, sondern eben auch perspektivisch ungleicher wird", betonte Krüger.

3. Homeoffice nutzen vor allem Besserverdienende

Große Unterschiede gibt es den Daten zufolge auch bei der Homeoffice-Nutzung: Im ersten Lockdown arbeiteten Menschen in Berufen im unteren Drittel der Einkommensverteilung selten von zuhause aus. In etwa der Hälfte dieser Berufe betrug der Homeoffice-Anteil weniger als sechs Prozent. Ganz anders zeigt sich das Bild bei Berufen im oberen Einkommensdrittel: Fast zwei Drittel dieser Berufsgruppen hatten einen Homeoffice-Anteil von 20 Prozent und mehr.

© dpa-infocom, dpa:210310-99-765324/2

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