Gewerkschaften - Frankfurt am Main:Uni-Mitarbeiter beklagen Belastung durch Corona-Pandemie

Bildung
Norma Tiedemann auf dem Campus der Uni Kassel. Foto: Uwe Zucchi/dpa (Foto: dpa)

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Kassel/Frankfurt/Darmstadt/Marburg (dpa/lhe) - Unsicherheit, Zukunftsangst und Überlastung - das alles habe es schon vor Corona bei vielen wissenschaftlichen Mitarbeitern an Hessens Universitäten gegeben, sagt Norma Tiedemann. "Durch die Pandemie hat die Belastung aber noch einmal deutlich zugenommen", erklärt die 32 Jahre alte Politikwissenschaftlerin, die an der Uni Kassel promoviert und sich in der Initiative "Uni Kassel unbefristet" engagiert.

Ein Großteil der wissenschaftlichen Mitarbeiter hätte eine Stelle, die aus Drittmitteln etwa aus Sondertöpfen für spezielle Forschungsvorhaben und Förderungen bezahlt werden. "Viele hangeln sich von Vertrag zu Vertrag. Alle machen Überstunden, weil die Arbeitszeiten nicht einzuhalten sind." Pandemiebedingt sei der Arbeitsaufwand durch die Umstellung auf digitale Formate in der Lehre noch gestiegen. "Auch die Betreuung der Studierenden ist deutlich aufwendiger", schildert Tiedemann. Darunter leide schließlich die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit. "Die Betroffenen sind unfassbar frustriert."

Dass die Belastung der Beschäftigten an Hessens Hochschulen im Zuge der Corona-Pandemie deutlich gestiegen ist, ist auch das Ergebnis einer Umfrage unter mehr als 3000 Hochschulmitarbeitern, die von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi und der Initiative "Darmstadt unbefristet" am Mittwoch vorgestellt wurde. Demnach gaben 60 Prozent der Befragten an, ihr Arbeitsstress habe seit Beginn der Pandemie zugenommen. Dreiviertel der wissenschaftlichen Mitarbeiter berichteten von wachsendem Arbeitsaufwand in der Lehre, im Bereich der administrativ-technischen Beschäftigten stieg der Arbeitsaufwand demzufolge um 72 Prozent.

"Mit der Corona-Pandemie hat sich die Belastung an den Hochschulen noch einmal deutlich erhöht", sagte Johannes Reinhard von "Darmstadt unbefristet". Befristet Beschäftigte seien dabei in allen Bereichen stärker betroffen. "Sie arbeiten häufiger abends und an Wochenenden, kommen öfter krank zur Arbeit und klagen stärker darüber, ständig erreichbar sein zu müssen", erläuterte der Sprecher der Verdi-Vertrauensleute an der TU Darmstadt. 84 Prozent der Befragten gingen zudem davon aus, dass sich Forschungsvorhaben und Qualifikationsarbeiten infolge der Pandemie verzögern.

Etwa ebenso viele fordern der Umfrage zufolge, dass befristete Verträge entsprechend verlängert werden. Durch eine Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) hat die Bundesregierung grundsätzlich eine pandemiebedingte Verlängerung um zwölf Monate ermöglicht. "Doch es gibt keinen verbindlichen Anspruch, Verlängerungen müssen einzeln beantragt und begründet werden", kritisierte Reinhard. "Wir fordern, dass allen befristet Beschäftigten eine Verlängerung ihrer Verträge angeboten wird. Das ist doch wohl das Mindeste."

Die Universitäten betonen, dass sie die Möglichkeit zur Verlängerung aktiv anbieten und anwenden. "Die Universität Kassel wendet besonders großzügig die Möglichkeiten an, die das Wissenschaftszeitvertragsgesetz als Reaktion auf die Pandemie bietet", sagte Sprecher Sebastian Mense. Um nicht die Chancen der nächsten Generation des wissenschaftlichen Nachwuchses zu beeinträchtigen, ermögliche und finanziere die Uni gleichzeitig, dass die verlängerten Stellen vorzeitig - und damit doppelt - neu besetzt werden.

Die TU Darmstadt habe unmittelbar nach der Novelle des WissZeitVG auf die Möglichkeiten der Verlängerung aktiv hingewiesen, erklärte Sprecher Jörg Feuck. Es sei übrigens längst gängige Praxis der TU, solche Ausnahmesituationen zu berücksichtigen. "Im Rahmen einer Qualifizierung werden auch immer die ohnehin im Wissenschaftszeitvertragsgesetz vorgesehenen Nachholzeiten beziehungsweise Verlängerungsmöglichkeiten geprüft."

Auch die Uni Marburg habe Befristungen dort verlängert, wo es coronabedingt zu Verzögerungen kam. "So sollen Beschäftigte, zum Beispiel auf Qualifikationsstellen, die Möglichkeit erhalten, ihre Qualifikation abzuschließen. Dies gilt für Landes- und Drittmittelbeschäftigte", erläuterte Sprecherin Gabriele Neumann.

© dpa-infocom, dpa:210519-99-658555/3

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