Schulen - Erfurt:Neue Teststrategie an Schulen: Gutachten widerspricht

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Eine medizinische Mitarbeiterin hält einen Tupfer für einen Abstrich für einen Corona-Test in der Hand. Foto: Moritz Frankenberg/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Erfurt (dpa/th) - Während die Rufe nach einer neuen Corona-Teststrategie an Schulen immer lauter werden, kommt ein neues Gutachten zu dem Schluss, dass anlasslose Corona-Tests an Schulen nicht nötig seien. Kinder und Jugendliche trügen zum Pandemiegeschehen bei - wie auch ungeimpfte Erwachsene, stellt der wissenschaftliche Beirat in dem Gutachten fest, das auf Donnerstag datiert ist und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Im Gegensatz zu Erwachsenen erkrankten Kinder und Jugendliche aber sehr selten schwer.

"Weil Kinder selbst nicht schwer erkranken und Erwachsene sich impfen lassen können, sind Quarantänemaßnahmen grundsätzlich weder für den Eigen- noch für den Fremdschutz zu rechtfertigen", heißt es in dem Sondergutachten. Demnach seien unter anderem auch mehrmals wöchentliche, nicht anlassbezogene Tests "nicht mehr gut zu begründen". Auch stünden die Kosten dafür in keinem Verhältnis zum "in der Öffentlichkeit irrtümlicherweise erwarteten Nutzen".

Die Landesregierung hatte das Sondergutachten in Auftrag gegeben, als Anfang der Woche bekannt wurde, dass die Corona-Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen - vor allem in den jüngeren Altersgruppen - stark gestiegen sind. Am Montag lag die Sieben-Tage-Inzidenz - also die Zahl der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner binnen einer Woche - bei den 5- bis 14-Jährigen bei 290,6.

Inzwischen wurden auch aus mehreren Städten und Landkreisen Forderungen nach einer neuen Teststrategie laut. Nach Angaben der Stadtverwaltung Weimar lag der Schwerpunkt des Infektionsgeschehens der Stadt in den vergangenen Tagen in den Schulen und Kindergärten sowie in den Familien der betroffenen Kinder.

"Der einzig wirksame Weg, das Infektionsschutzrisiko signifikant zu senken, ist die frühzeitige Testpflicht in Schulen und Kindergärten sofort wiedereinzuführen", erklärte Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine (parteilos) am Freitag. Erst dann mache eine Allgemeinverfügung in anderen Lebensbereichen Sinn.

Jenas Stadtspitze äußerte ebenfalls Unverständnis über den Weg durch die Pandemie im Bildungssektor. "Möglichst wenig Infektionen - dafür haben wir sehr stringente und immer wieder auch präventive Maßnahmen ergriffen", erklärte Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP). Diese Pandemiestrategie wolle man fortführen. "Wir erwarten, dass die Landesregierung diese Bemühungen unterstützt und nicht sabotiert." Der Landrat des Landkreises Gotha, Onno Eckert, reagierte verärgert: "Aus politischem Dogmatismus setzt das Bildungsministerium die Gesundheit einer ganzen Region aufs Spiel."

Die Teststrategie an Schulen hat mittlerweile auch zu Unruhe in der rot-rot-grünen Koalition geführt. Die SPD-Fraktion hatte am Mittwoch beschlossen, den Koalitionsausschuss wegen des Themas einzuberufen. Nach den aktuellen Corona-Regeln gibt es an Schulen keinerlei Testangebot in der sogenannten Basis-Stufe, also wenn die Belastung des Gesundheitswesens als gering gilt. Ab Warnstufe eins müssen Tests angeboten werden, in der höchsten Warnstufe drei sind sie Pflicht.

Der SPD-Bildungspolitiker Thomas Hartung kritisierte das Gutachten scharf: "Ich finde es eine Frechheit, dass darin der Eindruck erweckt wird, Kinder könnten nicht schwer erkranken", sagte der Mediziner. Rund ein Prozent der Intensivpatienten seien unter 20-Jährige. "Das ist ja nicht nichts", sagte Hartung. Zudem könne man inzwischen belegen, dass Kinder Infektionen mit in ihre Familien trügen. "Aber die Landesregierung zieht die nötigen Konsequenzen nicht."

© dpa-infocom, dpa:211015-99-609888/4

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