Bundesregierung:Greenpeace-Chefin wird Klima-Beauftragte im Außenamt

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Jennifer Morgan soll ab 1. März als Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt arbeiten. Foto: John Macdougall/AFP POOL/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Die Chefin der Umweltorganisation Greenpeace, Jennifer Morgan, wird Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Klimaschutz.

"Ich kenne weltweit keine zweite Persönlichkeit mit ihrer Expertise, Vernetzung und Glaubwürdigkeit in der internationalen Klimapolitik", sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Berlin. "Das ist für mich eine Traumbesetzung und ein wichtiges Signal für den internationalen Klimaschutz." Zuvor hatte das Kabinett einen entsprechenden Beschluss gefasst.

Morgan soll ab 1. März als Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt arbeiten. Sobald sie die deutsche Staatsbürgerschaft hat, soll sie Staatssekretärin, allerdings nicht verbeamtet werden, wie Baerbock sagte. In der Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP ist die Zuständigkeit für den internationalen Klimaschutz ins Auswärtige Amt gewechselt. Alle 226 deutschen Auslandsvertretungen sollten "Klimabotschaften" werden, mit Klimapolitik als zentralem Bestandteil ihrer Arbeit, sagte Baerbock. In der neu zu schreibenden nationalen Sicherheitsstrategie solle die konfliktverschärfende Wirkung der Klimakrise eine zentrale Rolle spielen.

Bei jeder internationalen Klimakonferenz dabei

Die 55-jährige Morgan gilt als erfahrene und international gut vernetzte Klimaexpertin. Die US-Amerikanerin spricht fließend Deutsch, arbeitet nach Greenpeace-Angaben in Amsterdam und lebt in Berlin. Den Angaben zufolge war sie bei jeder internationalen Klimakonferenz seit der ersten 1995 in Berlin dabei. Sie hat unter anderem internationale Beziehungen studiert und für verschiedene Umweltorganisationen und Denkfabriken gearbeitet. Dem Rat für Nachhaltige Entwicklung, einem Beratergremium der Bundesregierung, gehörte sie ebenfalls an.

"Jennifer Morgan wird als Steuerfrau unsere Klima-Außenpolitik lenken, Partnerschaften mit anderen Staaten in der Welt ausbauen und den Dialog mit der Zivilgesellschaft weltweit führen", sagte Baerbock.

Morgan hatte laut Baerbock bereits die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, als noch nicht absehbar war, dass es eine Außenministerin der Grünen geben würde. Bis der Einbürgerungsprozess abgeschlossen sei, solle Morgan zwar schon als Sonderbeauftragte aktiv sein, aber noch nicht das Amt einer Staatssekretärin ausüben. "Mein politisches Herz schlägt ganz für Deutschland", sagte Morgan. Sie lebe seit 2003 hier. "Das ist meine Heimat. Und ich bin Berlinerin." 

Zu ihrer bisherigen Rolle und ihrer neuen Funktion sagte Morgan: "Ich bin seit 30 Jahren dabei, zu kämpfen für unseren Planeten und zukünftige Generationen, und ich glaube, in dieser Rolle kann ich das gut voranbringen." Sie glaube, aktuell sei das Auswärtige Amt der Ort, wo sie am meisten bewirken könne. Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, erklärte: "Morgan ist ein Garant dafür, dass die Anliegen der Zivilgesellschaft in der internationalen Klimapolitik mitgedacht werden."

Auf wiederholte Fragen dazu, warum sie eine Lobbyistin in ein Regierungsamt berufe, sagte Baerbock schließlich: "Interessensvertretung ist ein wichtiger Bestandteil von lebhaften Demokratien." Morgan sei die beste Kandidatin gewesen und es sei wichtig, dass der Wechsel transparent geschehe. Morgan sagte: "Ja, es gibt die Politik, und die Politik ist wichtig. Aber ohne Bewegungen, ohne Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, ohne Aktivistinnen kriegen wir das nicht hin."

Kritik an Personalie

Aus der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag kam Kritik. "Es ist bemerkenswert, dass gerade eine grüne Bundesministerin die Grenzen zwischen Staatlichkeit und Lobbyismus so leichtfertig überspringt", erklärte der außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU). Jetzt werde Baerbock für ihre Klimapolitik wohl kaum noch Gegenwind von Greenpeace und Co erfahren. Zugleich drohe Deutschland aber an Einfluss zu verlieren: "Ich sehe die große Gefahr, dass die deutsche Klimaaußenpolitik gerade gegenüber schwierigen Partnern an Überzeugungskraft verliert, wenn sie nun mit dem "Greenpeace-Label" versehen ist."

Lukas Köhler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender des Koalitionspartners FDP, zeigte sich ebenfalls skeptisch: "Auch wenn ich mich zu einzelnen Personalentscheidungen der Außenministerin nicht äußern möchte, so habe ich doch Verständnis dafür, dass der Wechsel einer Lobbyistin, die in der Vergangenheit mit durchaus radikalen Ansichten in Erscheinung getreten ist, in der Öffentlichkeit auf eine gewisse Verwunderung stößt", sagte er dem Handelsblatt.

Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International reagierte gelassen. "Das Ziel ist, im Außenministerium den Klimaschutz voranzubringen. Dazu braucht man Fachleute", sagte der Vorsitzende des deutschen Zweigs der Organisation, Hartmut Bäumer, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Es geht nicht um finanzielle Vorteile für Greenpeace, sondern um ideelle Anliegen. Das ist der Unterschied zu anderen Verbänden, bei denen Wirtschaftslobbyismus im Vordergrund steht." Morgan dürfe aber "keine Greenpeace-Politik machen, sondern muss ihre fachliches Wissen einbringen", sagte Bäumer. "Und sie muss wissen, dass sie unter Beobachtung steht."

Wechsel zwischen Politik und Wirtschafts- oder Interessenverbänden sind keine Seltenheit, wenn auch häufig aus der Politik hinaus. So soll der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, der Grüne Klaus Müller, neuer Präsident der Bundesnetzagentur werden. Der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) holte noch als Finanzminister den früheren Deutschland-Chef der Investmentbank, Jörg Kukies, als Staatssekretär in sein Haus. Später folgte Kukies Scholz ins Kanzleramt.

Der CDU-Politiker Ronald Pofalla wiederum hatte als Chef des Bundeskanzleramts bis 2013 eine wichtige Position in der Regierung von Angela Merkel (CDU) und wurde dann 2015 Cheflobbyist beim Staatskonzern Deutsche Bahn, in dessen Vorstand er heute sitzt. Der frühere FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr wechselte zur Allianz Private Krankenversicherung.

© dpa-infocom, dpa:220209-99-47026/4

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