Kriminalität - Dresden:Dresdner Fußball-Krawalle: Razzia bei Dynamo-"Ultras"

Deutschland
In Polizei-Westen gekleidete Polizisten. Foto: Silas Stein/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Dresden (dpa/sn) - Wegen der schweren Fußball-Krawalle bei Dynamo Dresden im Mai 2021 sind am Mittwoch 27 Wohnungen durchsucht worden. Hintergrund sind Ermittlungen gegen 28 Beschuldigte wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs in besonders schwerem Fall. Bei dem Einsatz wurden insgesamt 671 Beweismittel sichergestellt, darunter Computer, Handys und Speichermedien sowie Pyrotechnik und verbotene Gegenstände wie Elektroschocker und Messer, wie Staatsanwaltschaft und Polizei in Dresden nach Abschluss mitteilten.

Die Männer zwischen 19 und 48 Jahren sollen zur Gruppierung "Ultras Dynamo" und den Anführern der Krawalle gehören. Der Großteil von ihnen sei vermummt gewesen. Zwei Durchsuchungen liefen laut Polizei in Abwesenheit der Bewohner. Ein mehrfach vorbestrafter Dresdner wurde festgenommen, gegen ihn lag ein Haftbefehl vor, den ein Ermittlungsrichter in Vollzug setzte. Die Polizei wird den Angaben nach bundesweite Stadionverbote gegen die 28 Beschuldigten anregen.

Den Tatverdächtigen wird vorgeworfen, die Ausschreitungen mit den ersten Angriffen auf Polizisten und Einsatzfahrzeuge ausgelöst zu haben. Die meisten von ihnen seien bereits einschlägig bekannt und strafrechtlich in Erscheinung getreten, hieß es. Im Visier waren 20 Wohnungen in Dresden, vier im Raum Bautzen, zwei in Zwickau sowie eine im Raum Chemnitz. An dem Einsatz waren 300 Beamte beteiligt, auch von Bereitschaftspolizei und Landeskriminalamt (LKA).

Nach einem Heimspiel des damaligen Drittligisten Dynamo Dresden gegen Türkgücü München hatten sich am 16. Mai 2021 im Großen Garten Tausende Menschen versammelt, um den Aufstieg in die 2. Bundesliga zu feiern. Im Stadion war wegen der Corona-Pandemie kein Publikum erlaubt. Hunderte gewaltbereite Fans griffen Polizisten mit Pyrotechnik an, zudem flogen Flaschen und Steine. 185 Beamte wurden verletzt, 30 waren zeitweise dienstunfähig und sechs im Krankenhaus.

Die Polizei hatte nach den Ausschreitungen eine Sonderkommission "Hauptallee" gebildet - benannt nach einem der damaligen Schauplätze. Am Mittwoch nannte dessen Leiter Enrico Lange weitere Details zu den Ermittlungen. "Bis zum heutigen Tag ist es uns gelungen, im Gesamtkontext circa 300 Tatverdächtige zu identifizieren und den Großteil davon mittlerweile auch zur Anklage zu bringen." Die Polizei hatte damals mit einer Plakataktion nach rund 100 Verdächtigen gefahndet, etwa 50 von ihnen hatten sich freiwillig gemeldet. 30 konnte die Polizei ermitteln, nach dem Rest wird weiter gesucht.

Das Geschehen habe seinerzeit seinen Anfang genommen, als sich etwa 500 Personen am Biergarten Torwirtschaft zusammenrotteten und Bengalos zündeten, erklärte Lange. Diese Gruppierung habe dann später am alten Trainingsgelände unvermittelt Beamte und Polizeifahrzeuge mit Flaschenwürfen und Pyrotechnik angegriffen. Die Ausschreitungen hätten sich zweieinhalb Stunden im Großen Garten und auf der Straße vor dem Stadion abgespielt.

"Im Rahmen der Durchsuchungen haben wir das aufgefunden, was wir auch erwartet haben. Aus unserer Sicht war das ein sehr erfolgreicher Einsatz", bilanzierte Lange. Man habe "tatrelevante Bekleidung" gefunden genauso wie Pyrotechnik, Drogen und verbotene Gegenstände in geringeren Mengen. Das Hauptaugenmerk habe aber auf Datenträgern gelegen. Man habe eine dreistellige Zahl davon beschlagnahmt. Lange wies darauf hin, dass nicht alle Dynamo-"Ultras" gewaltbereit sind. Diese Szene gebe es in jedem Fußballverein, sie sei auch ein wesentlicher Garant für den Erfolg der Mannschaften.

Bei der Staatsanwaltschaft Dresden sind bislang Verfahren gegen 114 Beschuldigte beendet worden - mit Anklage oder Strafbefehl, hieß es. Einige wurden auch eingestellt. Nach den Worten von Lange sind die Ermittlungen nicht abgeschlossen. Sie würden sich neben schwerem Landfriedensbruch vor allem auf Körperverletzungen beziehen.

Polizeisprecher Thomas Geithner verwies auf Sicherheitsmängel bei Dynamo Dresden, etwa bei den Einlasskontrollen. Fans, die mit Arbeitskarten des Vereins ausgestattet waren, hätten beim letzten Heimspiel gegen Schalke das Stadion mit großen Taschen praktisch ohne Kontrolle betreten können. Die Erwartungen an das Sicherheitskonzept und die Wirklichkeit würden mitunter deutlich voneinander abweichen. Bei den Spielen gegen St. Pauli und Schalke seien Sicherheitskameras im Inneren des Stadions zugeklebt worden. Die Polizei sei deshalb praktisch blind gewesen. Die Kameras seien vor allem wichtig, um Panik-Situationen in den Griff zu bekommen.

© dpa-infocom, dpa:220413-99-901990/6

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