Energie:Koalition streitet über zusätzliche Entlastungen für Bürger

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Sollen Bürgerinnen und Bürger künftig noch weiter entlastet werden? Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Die Ampel-Koalition streitet über zusätzliche Entlastungen für Bürger angesichts der stark gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kündigte "demnächst Antworten" der Bundesregierung an.

"Die hohe Inflation, getrieben durch die fossilen Energien, drückt das Land schwer", sagte der Wirtschaftsminister am Sonntag in Flensburg. "Wir haben verschiedene Möglichkeiten, diese Preise abzufedern."

Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte der "Bild am Sonntag": "Es wird weitere Entlastungen geben. Die gestiegenen Gas- und Strompreise sind ja noch gar nicht voll bei den Menschen angekommen." Lang stellte wie zuvor SPD-Chefin Saskia Esken die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) geplante Einhaltung der Schuldenbremse im Jahr 2023 infrage. SPD-Fraktionsvize Achim Post sagte am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur: "Die Handlungsfähigkeit in der Krise darf nicht am Geld scheitern."

Am Mittwoch wollen sich die Spitzen von SPD, Grüne und FDP zu einem Koalitionsausschuss treffen. FDP-Chef Lindner pocht darauf, dass der Bund die in der Corona-Pandemie ausgesetzte Schuldenbremse wieder einhält. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse lässt nur eine minimale Kreditaufnahme zu. In den vergangenen Jahren wurde sie wegen der hohen Lasten durch die Corona-Pandemie ausgesetzt. Lindner will nun Vorhaben priorisieren. Anfang Juli will das Kabinett den Haushaltsentwurf beschließen.

Lindner: 2021 gut vier Milliarden Euro an Zinsen gezahlt

"Zur Bekämpfung der Inflation muss der Staat die Politik auf Pump beenden", sagte Lindner der "Welt am Sonntag". "Ab jetzt muss das Erwirtschaften des Wohlstands wieder wichtiger sein als das Verteilen." Der Staat habe im letzten Jahr gut vier Milliarden Euro an Zinsen gezahlt. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass es kommendes Jahr bis zu 30 Milliarden Euro sein werden. Die steigenden Zinsen sind ein Signal zur Umkehr." Ohne die FDP gäbe es "uferlos" Schulden und Steuererhöhungen.

Lang sagte dagegen: "Die entscheidende Frage ist doch nicht, ob wir die Schuldenbremse auf Teufel komm raus aussetzen oder einhalten, sondern ob wir den Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden. Klar ist für uns Grüne: Am Sozialen wird nicht gespart. Nicht am Bürgergeld, nicht an der Kindergrundsicherung, nicht an der notwendigen Entlastung der ärmeren Haushalte." Sie begründete dies mit dem gesellschaftlichen Frieden. "Wenn wir an den Sozialausgaben sparen, gleiten womöglich noch mehr Menschen in Armut ab und verlieren das Vertrauen in den Staat. Das gefährdet die Grundlagen unserer Demokratie."

SPD-Fraktionsvize Post sagte, natürlich sei es vernünftig, gerade in der jetzigen Krisenlage genau zu schauen, welche Aufgaben prioritär seien. "Umgekehrt gilt aber auch: die staatliche Handlungsfähigkeit in der Krise muss erhalten bleiben - für etwaige weitere Entlastungen genauso wie für fortgesetzte Zukunftsinvestitionen und einen starken sozialen Zusammenhalt." Sollte die Krise in der Ukraine mit ihren wirtschaftlichen und sozialen Folgewirkungen bis in den Herbst fortdauern, dann dürften für ihre Bewältigung absehbar zusätzliche finanzielle Ressourcen erforderlich sein.

Grüne werten 9-Euro-Ticket als einen riesigen Erfolg

Die Koalition hatte bisher zwei Entlastungspakete beschlossen. Dazu gehören etwa der Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket im Nah- und Regionalverkehr. Lang bezeichnete das 9-Euro-Ticket als einen riesigen Erfolg. "Wir lassen jetzt untersuchen, ob Menschen wegen des Tickets wirklich vom Auto auf die Bahn umsteigen. Sollte das so sein, müssen wir in der Koalition unbedingt darüber reden, wie wir an diesen Erfolg anknüpfen können." Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) fordert dagegen erst mehr Strukturreformen im ÖPNV, bevor es mehr Geld geben soll.

Lang sagte außerdem: "Bei zukünftigen Entlastungen müssen wir eindeutig noch zielgerichteter werden, etwa, indem wir Zuschüsse sozial staffeln. Und wir müssen langfristig etwas ändern." Der Hartz-IV-Satz sollte, wie von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagen, um rund 50 Euro ansteigen. Bei zukünftigen Entlastungen wollten die Grünen außerdem die Menschen mit kleiner Rente in den Blick nehmen. Sozialverbände hatten kritisiert, die Rentner würden nur wenig von den Entlastungspaketen profitieren.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr lehnte in der "Bild"-Zeitung (Montag) die Forderung nach höheren Hartz-IV-Regelsätzen ab. "Die Hartz-IV-Sätze werden richtigerweise automatisch an die Inflation angepasst. Anders sieht es leider bei den Steuersätzen für Arbeitnehmer aus. Aufgrund der Inflation steigt die Steuerlast, ohne dass die Menschen real höhere Einkommen haben." Genau wie bei Hartz IV könne man darüber nachdenken, in Zukunft die Einkommensteuersätze automatisch an die Inflation anzupassen.

© dpa-infocom, dpa:220619-99-718808/4

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