Ausstellungen:Konflikt um documenta: Umstrittene Arbeiten bleiben

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Die documenta steht weiterhin in der Kritik. Foto: Swen Pförtner/dpa (Foto: dpa)

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Kassel/Berlin (dpa) - Während der documenta in Kassel ist erneut eine offene Auseinandersetzung um kritisierte Kunstwerke ausgebrochen. Nach der jüngsten Kritik wegen als antisemitisch eingeschätzter Kunstwerke hält die künstlerische Leitung an den Arbeiten fest. Auch die documenta-Spitze will nicht handeln.

Zuvor hatte das von den documenta-Gesellschaftern eingesetzte Expertengremium zur Aufarbeitung der Antisemitismus-Vorwürfe gegen die Weltkunstschau in Kassel gefordert, propalästinensische Propagandafilme nicht mehr zu zeigen.

In einer Stellungnahme der documenta für das Berliner Kunstmagazin "Monopol" hieß es am Montag nach Angaben des Magazins: "Die Geschäftsleitung der documenta und Ruangrupa haben die Einschätzung des Expert*innengremiums zur Kenntnis genommen. Der Empfehlung einer vorübergehenden Entnahme der Arbeit "Tokyo Reels" von Subversive Film aus der Ausstellung möchte Ruangrupa, denen als Künstlerische Leitung der Documenta Fifteen die alleinige Entscheidung darüber zusteht, nicht nachkommen."

Das Gremium zur Aufarbeitung der Antisemitismus-Vorwürfe gegen die Weltkunstschau fordert, propalästinensische Propagandafilme auf der Ausstellung nicht mehr zu zeigen. So sei es aus Sicht der Experten die dringlichste Aufgabe, die Vorführung eines Beitrags des Kollektivs Subversive Film zu stoppen, heißt es in einer am Samstag veröffentlichten ersten Einschätzung des Beirates.

"Israelhass und Glorifizierung von Terrorismus"

Hoch problematisch an dem Werk "Tokyo Reels Film Festival" seien nicht nur "die mit antisemitischen und antizionistischen Versatzstücken versehenen Filmdokumente, sondern die zwischen den Filmen eingefügten Kommentare der Künstler:innen, in denen sie den Israelhass und die Glorifizierung von Terrorismus des Quellmaterials durch ihre unkritische Diskussion legitimieren", teilte das Gremium auf der Internetseite der documenta gGmbH mit.

Das Material, eine Kompilation von pro-palästinensischen Propagandafilmen aus den 1960er- bis 1980er-Jahren, werde nicht kritisch reflektiert, "sondern als vermeintlich objektiver Tatsachenbericht affirmiert". Dadurch stellten die Filme in ihrer potenziell aufhetzenden Wirkung eine größere Gefahr dar als das bereits entfernte Werk "People’s Justice".

Eine eventuelle Wiederaufnahme der Vorführungen der Filme sei nur denkbar, "wenn diese in einer Form kontextualisiert würden, die ihren Propagandacharakter verdeutlicht, ihre antisemitischen Elemente klar benennt und historische Fehldarstellungen korrigiert". Auch der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker forderte, dass die Vorführung der "israelfeindlichen Propaganda-Filme" sofort von der künstlerischen Leitung der documenta gestoppt werden müsse.

Zentralrat der Juden fordert Ende der Ausstrahlung

Deutliche Kritik kam ebenfalls vom Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. "Die Ausstrahlung der Propagandafilme "Tokyo Reels" muss sofort beendet werden. Mit ihrer Tirade zeigen die Kuratoren und Künstler, dass sie wissenschaftliche Befunde nur respektieren, wenn sie in ihr Weltbild passen", teilte er am Montag mit. Es sei Aufgabe der Gesellschafter und der politisch Verantwortlichen, deutliche Konsequenzen aus den Ergebnissen des Expertengremiums zu ziehen. "Diese documenta hat dem Ansehen Deutschlands geschadet", meinte Schuster.

In einer zweiten Erklärung wirft ein Teil des Beirates der Künstlerischen Leitung der documenta fifteen, dem indonesischen Kuratorenkollektiv Ruangrupa, kuratorische Unausgewogenheit vor. Nahezu alle Werke, die sich mit dem arabisch-israelischen Konflikt beschäftigten, brächten "einseitig kritische bis hin zu dezidiert israelfeindlichen Haltungen" zum Ausdruck. Diese Erklärung trägt die Unterschrift von fünf der sieben Mitglieder des Gremiums.

Die documenta fifteen wird schon seit Monaten von Antisemitismus-Vorwürfen begleitet. Mehrere Werke wurden als judenfeindlich kritisiert. Das Banner "People's Justice" des indonesischen Kunstkollektivs Taring Padi wurde wegen judenfeindlicher Darstellungen abgebaut. Angesichts der Vorwürfe hatten die Gesellschafter, die Stadt Kassel und das Land Hessen ein Expertengremium aus sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern benannt, das die Weltkunstschau in den kommenden Monaten fachwissenschaftlich begleiten soll.

© dpa-infocom, dpa:220912-99-734055/2

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