App erinnert an Münchner NS-Opfer:Virtuelle Stolpersteine

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Gunter Demnigs Stolpersteine dürfen in München nur auf Privatgrund verlegt werden. (Foto: Veronica Laber)

Über Stolpersteine auf öffentlichem Grund wird in der Stadt seit langem gestritten. Nun erinnert eine kostenlose Handy-App an Münchner NS-Opfer. Gegen eine Spende recherchieren die Betreiber weitere Namen, Schicksale und Adressen.

Von Jakob Wetzel

Um den Streit über "Stolpersteine" in München zu erklären, braucht es viele Konjunktive. Der Künstler Gunter Demnig würde gerne auf öffentlichem Grund Gedenksteine verlegen, um an Opfer des Regimes der Nationalsozialisten zu erinnern. Der Stadtrat aber hat dies im Juni 2004 verboten, auch weil Steine "im Straßenschmutz" als herabsetzend empfunden werden könnten. Die "Initiative für Stolpersteine in München" wiederum lagert mehr als 200 Steine, die sie verlegen würde, wenn der Stadtrat sein Veto zurückzöge. Und jetzt erinnert eine neue App an die Ermordeten - an den Stellen, wo auch Gedenksteine liegen könnten.

Mit der "Stolpersteine München App" haben zwei Firmen ein Programm entwickelt, das sich ab Mittwoch, 23. Oktober, jeder Nutzer eines Smartphones kostenlos herunterladen kann. Nähert er sich daraufhin dem letzten freiwilligen Wohnort eines der in der Datenbank gespeicherten Opfer, schickt die App einen Hinweis und bietet Informationen an - und zwar mehr, als auf einem von Demnigs zehn mal zehn Zentimeter großen Gedenksteinen Platz hätten: neben Lebensdaten zum Beispiel Angaben zu Beruf oder Kindern des Opfers sowie Fotografien. Zudem gibt es eine Übersichtskarte mit allen virtuellen Stolpersteinen. Die Lebensläufe sind so auch aus der Ferne nachzulesen.

Zum Start umfasst die App Informationen zu jenen Steinen, welche die "Initiative für Stolpersteine in München" lagert oder - das Verbot der Stadt umgehend - bereits auf Privatgrund verlegt hat. Künftig sollen es mehr werden: Gegen eine Spende von jeweils zehn Euro recherchieren die Betreiber der App weitere Namen, Schicksale und Adressen, in Kooperation mit dem Münchner Stadtarchiv. Am Ende soll ein "über München schwebendes Museum" entstehen, sagt Martina Bachmann vom Betreiber Partcours. Ohne dabei zu riskieren, dass die Namen der Opfer im Straßenpflaster mit Füßen getreten werden.

Was tatsächliche Gedenksteine angeht, hofft die "Initiative Stolpersteine" indes weiterhin auf ein Umdenken der Stadt. Am 20. Dezember würden zwei neue Steine auf Privatgrund in der Isartal- und in der Entenbachstraße verlegt, sagt Sprecher Terry Swartzberg. Die Steine sollen auch die erreichen, die keine App geladen haben.

© SZ vom 22.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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