Terroranschlag von Wien:Report mit brisanten Passagen

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Innenminister Karl Nehammer will sich zu den Konsequenzen, die aus den Ermittlungspannen zu ziehen sind, noch nicht äußern. (Foto: Tobias Steinmaurer/imago)

Wegen mangelnder Mitarbeit der österreichischen Behörden bleibt ein Untersuchungsbericht zum islamistischen Attentat in Wien lückenhaft. Dennoch birgt er Explosives.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Just zwei Tage vor Weihnachten hatte die "Untersuchungskommission zum Terroranschlag vom 2. November 2020" einen Zwischenbericht vorgelegt. Böse Zungen in Österreich behaupteten umgehend, der kritische Bericht sei so knapp vor den Feiertagen veröffentlicht worden, um ihn in der Stille der Weihnachtstage zu versenken.

Allerdings bezeichnet die Kommission selbst ihren 25-seitigen Bericht nur als einen "ersten Schritt". Eine ausführliche Gesamtschau der Arbeit der Behörden soll Ende Januar abgeschlossen sein.

Anfang November hatte ein in Österreich geborener Islamist mit nordmazedonischem Hintergrund im Wiener Zentrum vier Menschen getötet und zahlreiche verletzt, bevor er von Polizisten erschossen wurde.

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Der Attentäter von Wien hätte eventuell gestoppt werden können - wenn die österreichischen Sicherheitsbehörden anders agiert hätten.

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Der Attentäter, der bereits eine Haftstrafe wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung abgesessen hatte und nach seiner vorzeitigen Entlassung von Bewährungshelfern betreut wurde, hatte sich im Sommer mit anderen Islamisten in Wien getroffen und versucht, in der Slowakei Munition zu kaufen.

Beides war den Behörden bekannt gewesen, dennoch wurde, so der Bericht, die Risikoeinschätzung bezüglich eines möglichen Anschlags durch den späteren Täter, Kujtim F., nicht angehoben.

Innenminister Karl Nehammer mochte sich am Montag in einem Interview mit der Zeitung Kurier jedenfalls noch nicht im Detail mit dem Untersuchungsbericht befassen. Welche Konsequenzen aus den von der Kommission nachgewiesenen Ermittlungspannen zu ziehen seien, will er erst im Zuge der Reform des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) bekannt geben.

Diese soll im März mit einem Parlamentsbeschluss zur Trennung von Nachrichtendienst und Staatsschutz auf den Weg gebracht werden.

Die Kommission, die von der Regierung selbst nach massiver Kritik an den Ermittlungsbehörden eingesetzt worden war, hatte unter anderem die Zusammenarbeit und den Informationsfluss von Bundes- und Landesämtern für Verfassungsschutz ins Visier genommen.

Wobei allein die Informationsbeschaffung offenbar schwierig war: Nachfragen seien unbeantwortet geblieben, heißt es, Aussagen unterschiedlicher Behörden widersprüchlich gewesen, teilweise seien "keine validen Dokumente" vorgelegt worden. Die Arbeitsergebnisse seien bestenfalls als "lückenhaft" zu bezeichnen.

Und doch steht Explosives in dem kurzen Bericht. Demnach haben das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und seine Wiener Dependance, das Landesamt, Informationen oft nur "punktuell und zeitverzögert" verarbeitet und die Radikalisierung des späteren Attentäters zu spät erkannt.

Das Antiterrorpaket sei nicht nötig gewesen, befindet die Kommission

Niemand habe die vielen Beobachtungen und Hinweise, die über Kujtim F. bekannt waren, zum Anlass genommen, die Gefahreneinschätzung zu erhöhen oder entsprechende Sachverhalte an die Staatsanwaltschaft zu melden.

Eine besonders brisante Aussage hob sich die Kommission für den Schluss auf: Das jüngst mit Verweis auf das Attentat vom November beschlossene Antiterrorpaket sei nicht nötig gewesen. Den aktuellen Fall hätte man auch mit dem bestehenden Terrorismusstrafrecht bewältigen können, wenn die Ressourcen besser genutzt worden wären.

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