Karl-May-Band:Als Winnetou am Flaucher entlangritt

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Winnetou (Pierre Brice) und die schöne Häuptlingstochter Ribanna (Karin Dor). (Foto: imago/United Archives)

Der Apachen-Häuptling und sein Freund "Old Shatterhand" hatten in München ihre ersten Bühnen-Auftritte. Wie sehr die beiden die Stadt geprägt haben, zeigt die neue Publikation "Karl May auf der Bühne".

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Solche Szenen hätte man zuletzt womöglich Michael Jackson zugetraut, aber Karl May? Es ist Juli 1897, der Schriftsteller, der sich als durch die Welt reisender Held ausgibt, ist gerade im Hotel Trefler an der Sonnenstraße in München abgestiegen. Doch weil ein Buchhändler eine Zeitung informiert hat, drängen sich auf der Straße Hunderte Menschen, rufen, schwenken Hüte. Alle zehn Minuten habe er auf den Balkon treten müssen, klagte May später: "Die kleineren Gymnasiasten standen so dicht vor dem Hotel, dass die Tramway nicht durch konnte und es keine andere Hülfe gab, als sie per Wasserschlauch auseinander zu spritzen." Als der Autor im Jahr darauf erneut in der Stadt gastiert, trifft sich im Hotel Trefler bereits ein "May-Club München". Und der Schriftsteller erhält eine Einladung zur königlichen Familie ins Wittelsbacher Palais. Karl May: Das ist ein Ereignis gewesen.

Insofern ist es nur folgerichtig, dass es München war, wo Mays Wildwest-Helden "Old Shatterhand" und "Winnetou" ihre ersten Auftritte im Theater hatten - und wo es auch 1949 die erste Freiluft-Inszenierung nach dem Krieg gegeben hat, auch wenn diese letztlich ein Fiasko war. So ist es nun zumindest bei Nicolas Finke und Reinhard Marheinecke nachzulesen: Die zwei Karl-May-begeisterten Publizisten haben Mays Bühnengeschichte untersucht und nun den ersten von drei geplanten Bänden mit ihren Ergebnissen vorgelegt, ein reich bebildertes, liebevoll aufgemachtes Nachschlagewerk voller kleiner Geschichten und großer Dramen.

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München war einst ohnehin eine Wildwest-verrückte Stadt, besonders nachdem 1890 erstmals William Cody auf der Theresienwiese aufgetreten war. "Buffalo Bill", der an der Isar auch einmal als "Ochsenwilli" bezeichnet wurde, war in München zweieinhalb Wochen lang täglich vor ausverkauften Rängen aufgetreten. In den Folgejahren gründeten sich Wildwest-Vereine. Den "Cowboy Club München" von 1913 gibt es bis heute.

Das Verdienst, erster Karl-May-Bühnenort überhaupt zu sein, muss München diesem Buch zufolge jedoch Kötzschenbroda überlassen, das ist heute ein Stadtteil von Radebeul. Im dortigen Bahnhotel gab es schon 1908, noch zu Lebzeiten des 1912 gestorbenen Autors, bei einem Maskenball eine orientalische Pantomime, angelehnt an Mays "Durch die Wüste". München ist es dagegen gewesen, wo Apachen-Häuptling Winnetou erstmals auf der Bühne stand, nämlich 1916 in einer Operette im Gärtnerplatztheater, die allerdings humoristisch gedacht war. Das Stück hieß "Fräulein Rothaut" und handelte von einem Reiseschriftsteller, der einem indianischen Krieger die Braut ausspannt. Finke und Marheinecke nennen es eine "Frühform von Bully Herbigs 2001er Erfolgsfilm Der Schuh des Manitu als musikalisches Theaterstück".

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Drei Jahre später hieß es dann "Winnetou" im Deutschen Theater - also dort, wo zurzeit eine Neuinszenierung des Musicals "Schuh des Manitu" vorbereitet wird. Diesmal war es ernst gemeint, auch wenn Old Shatterhand alias Schauspieler Adolf Hille eine Art Pfadfinder-Uniform tragen musste. Geschrieben hatte das Stück der Leiter der Jugend- und Volksbühne München, Hermann Dimmler. Das Stück erntete eigentlich gute Kritiken, auch wenn manche Journalisten gerne mehr Action gesehen hätten und andere das Stück eine erneute Parodie nannten. Der Karl-May-Verlag fürchtete jedenfalls um das "literarische Monument" Karl Mays, und so gab es jahrelang keine Aufführungen mehr.

In München dauerte es gar 30 Jahre, bis "Winnetou und sein weißer Bruder" wieder zu sehen waren. 1949 ritten sie dafür unter freiem Himmel über die Wiesen bei der Marienklause südlich von Hellabrunn. Harald Fürstenau und Werner Holzhey hatten ein eigenes Stück geschrieben und so arbeitslosen Schauspielerinnen und Schauspielern eine Beschäftigung gegeben. Sie hatten große Pläne. Ihre Tribüne bot 1200 Zuschauern Platz, stets im Sommer sollte es nun Winnetou-Festspiele in München geben, außerdem eine Tournee.

Über die Uraufführung berichteten selbst der Spiegel und Die Presse aus Wien. Allerdings hatten die Macher nicht mit dem Sauwetter gerechnet, das es im Juni 1949 in München gab, und sie hatten keine Reserven, um ohne Einnahmen weiterzumachen. Die Stadt wollte nicht helfen: Sie habe "drängende Verpflichtungen auf dem Gebiet der echten Kunst", hieß es. So war "Winnetou" schon Mitte Juli pleite.

Nicolas Finke / Reinhard Marheinecke: Karl May auf der Bühne. Band I, Bamberg: Karl-May-Verlag 2021, 400 Seiten, 49 Euro.

© SZ vom 18.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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