Kommunalwahlen:Graz wird kommunistisch

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Spitzenkandidatin Elke Kahr von der Kommunistischen Partei Österreichs hat überraschend die Kommunalwahlen in Graz gewonnen. Sie will nun eine Regierungskoalition bilden. (Foto: Erwin Scheriau/dpa)

Elke Kahr, Stadträtin der KPÖ in Graz, hat überraschend die Lokalwahlen gewonnen. Warum das in der Hauptstadt der Steiermark alles andere als schockierend ist.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Elke Kahr war von ihrem Erfolg wohl selbst am meisten überrascht: Eine Stadträtin der Kommunistischen Partei KPÖ holt in Graz knapp 29 Prozentpunkte und wird damit stärkste Kraft in der Stadt. Nun will sie sondieren, ob eine Koalition mit den Grünen (die mit knapp sieben Punkten auf nun 17,3 auch stark zulegten) und der SPÖ (die auf etwa zehn Punkte kam) zustande kommt. Eine linke Koalition in einer Stadt, die bislang von einem Konservativen geführt wurde? Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) trat am Sonntagabend nach der Kommunalwahl schwer deprimiert zurück. Eine Kommunistin als Stadtchefin in der Steiermark? In Graz gilt das als nicht sonderlich exotisch.

Das stolze Wahlergebnis für die KPÖ überrascht. Wenig verwunderlich ist aber, dass die 59-jährige Kommunistin in den Augen vieler, auch bürgerlicher Wähler eine Chance bekommen sollte. Die KPÖ ist in Graz traditionell stark. In den Augen der Wähler hat das allerdings weniger ideologische als sozialpolitische Gründe: Kahr macht, wie ihr ebenfalls stadtbekannter Vorgänger Ernest Kaltenegger, viel Basisarbeit, sie gilt als Kümmerin, Helferin und engagiert sich insbesondere für Mieter und Wohnbauthemen. Kaltenegger stand dereinst, wenn Grazer Bürger wegen einer tropfenden Heizung oder eines übelmeinenden Vermieters anriefen, gleich am nächsten Tag mit Kastenwagen und Rohrzange vor der Tür. Er installierte einen "Mietnotruf" und half bei der Rechtsberatung von Mietern. Auch Elke Kahr ist stadtbekannt als Politikerin, die sich konkret einsetzt für ihre Wähler. Sie spendet Teile ihres Verdienstes und gilt als Tag und Nacht erreichbar.

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Ihre Popularität war der ÖVP nie geheuer gewesen. Bürgermeister Nagl nahm der KPÖ und ihrer Stadträtin Kahr nach der letzten Wahl das Wohnbauressort weg und lud ihr das schwierige Verkehrsressort auf. Weil Nagl sich aber für eine - in der Stadt sehr umstrittene - U-Bahn und zahlreiche Neubauprojekte stark machte, nützte die Versetzung den Kommunisten mehr, als sie ihnen schadete. Nagls Spitzname, "Beton-Sigi", spricht Bände.

Aber nicht nur die KPÖ schnitt bei der Kommunalwahl in der Universitätsstadt hervorragend ab, auch die Grünen konnten stark zulegen. Die FPÖ hatte es unter ihrem Spitzenkandidaten Mario Eustachio mit einem ausländerfeindlichen Wahlkampf und Botschaften an Migranten wie "Graz ist nicht eure Heimat" versucht - und wurde dafür bestraft. Das kam in einer Stadt, in der viele junge Leute leben und die in den vergangenen Jahren durch Neubürger stark gewachsen ist, nicht gut an.

Elke Kahr, die mutmaßlich neue Bürgermeisterin der 300 000-Einwohner-Stadt, hat sich einiges vorgenommen. Sie wolle, teilte sie am Montag mit, die Herausforderung annehmen und für fünf Jahre regieren. Sie war 1983 der KPÖ beigetreten und wirbt mit dem Slogan "Auf keinen Menschen vergessen!" Ihren Wahlerfolg führt sie unter anderem auf dem Einsatz für das zurück, was in Österreich "leistbares Wohnen" heißt.

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