SZ-Serie: Erfolgshungrig:Verlockend süß und vegan

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Noch ist eine Baustelle dort, wo Dirk und Eva Johnston am Max-Weber-Platz von Ende Oktober an ihre "rohen Schnittchen" verkaufen wollen. (Foto: Robert Haas)

Eva Johnston wollte auf tierische Produkte verzichten, aber nicht aufs Naschen. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie deshalb das Start-up Épique gegründet.

Von Franz Kotteder

Schon die Liebesgeschichte der beiden ist fast so süß wie die "Raw Slices", die sie jetzt gemeinsam unters Volk bringen. Sie, 30, ist eigentlich Holländerin. Er, 34, Schotte. Aber beide sind in München aufgewachsen, haben eine Schwäche für Frankreich - weshalb ihre Firma auch Épique heißt - und beide haben Schauspiel studiert und sich dann auf Musicals spezialisiert.

Vor zehn Jahren bekamen sie beide eine Hauptrolle. Im Musical "Grease" waren sie das zentrale Liebespaar und lernten sich erst kurz vor der großen Tournee im Stuttgarter Palladiumtheater kennen, bei den Proben. Doch aus dem Ernst wurde Spaß. "Wir haben unsere Duetts im Hotelzimmer geprobt", erzählt Eva Johnston und lacht, "bei den Kussszenen muss es dann gefunkt haben. Dabei hatte ich mir fest vorgenommen, mich nie in einen Kollegen zu verlieben!" Man weiß ja nie, ob so etwas auch eine Zukunft hat.

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So kann's gehen. Inzwischen leben sie seit fünf Jahren wieder in München. Nachdem sie eine Zeitlang jeden Abend auf der Bühne geheiratet hatten, taten sie das - einmal - auch im richtigen Leben, sind nun verheiratet und haben das anstrengende Tourneeleben mit acht Shows pro Woche aufgegeben. Stattdessen leben sie jetzt von einer anderen Leidenschaft. "Wir sind auch Food Lovers", sagt Dirk Johnston, "viel von dem Geld, das wir verdienen, geben wir fürs Essen aus". Auf die Ernährung mussten sie schon achten, als sie auf der Bühne standen. Aber sie hatten zwischen den Engagements auch Zeit, sich für andere Aspekte zu interessieren.

Eine Zeitlang betrieben sie auch einen Catering-Service in Holland, belieferten Hochzeiten und Familienfeiern. Und sie arbeiteten in der Gastronomie, unter Schauspielern ein verbreiteter Nebenjob, wenn es mal gerade keine Engagements gibt oder nur solche, bei denen man eher wenig verdient. Gastro-Jobs bekommt man ja eigentlich immer, wenn nicht gerade Pandemie herrscht und Lockdown ist.

Wer gerne isst und etwas Neues ausprobiert, der kocht in aller Regel auch gerne. Im Falle von Eva Johnston kam die Lust am Experimentieren dazu: Sie wollte wissen, wie es denn wäre, sich tatsächlich mal vier Wochen lang nur vegan zu ernähren? Der Verzicht auf Fleisch war dabei nicht, wie man vermuten könnte, das Problem. "Ich esse leider wahnsinnig gerne Süßes", sagt Eva Johnston. Und in Süßspeisen sind nun mal oft Sahne enthalten und Eier. Insofern war Eva durchaus skeptisch, was ihr Experiment anging. Und sie sah sich schon mal nach veganen Alternativen um, was Desserts und Süßigkeiten anging.

Rechteckig, glutenfrei und meist mit vier verschiedenen Schichten: die "Raw Slices" genannten Konfektpralinen. (Foto: Robert Haas)

Die Alternativen waren dann zugleich eine Offenbarung: "Ich hätte nie gedacht, dass das so hervorragend funktioniert." Eva und Dirk begannen herumzuprobieren. Mit fermentierten Nüssen, mit Bitterschokolade, Mandeln, Früchten, Kokosnuss und anderen Zutaten - wichtig allerdings: Alles sollte glutenfrei und ohne raffinierten Zucker auskommen. Im Grunde handelt es sich dabei um Rohkost, weil keiner der Bestandteile über 42 Grad erhitzt wird. Daher der englische Name "Raw Slices", zu Deutsch: "Rohe Schnittchen". Wobei "süße Stückchen" besser passen würde. Denn die rechteckigen, großen Konfektpralinen mit ihren meist vier verschiedenen Schichten schmecken tatsächlich ganz hervorragend. So schön süß, wie offenbar nicht nur Eva Johnston sie mag, und wenn jemand behauptet, bei veganen Speisen müsse man unbedingt den Verzicht schmecken, dann soll er erst einmal die Raw Slices probieren.

Die ersten Versuchsreihen entstanden mitten in der Nacht. 2017 war das. "Wir haben damals beide in einem Café gejobbt", erzählt Dick Johnston. "Wenn das zumachte, verzogen wir uns in die Küche und probierten Rezepte aus, bis zwei Uhr in der Frühe, oft." Sie legten Nüsse sechs Stunden lang in Himalayasalz ein, fügten Schicht auf Schicht, mal mit Kokosnüssen, mal mit Trockenfrüchten. Bald war man bei der Serienreife angelangt, verkaufte erste Exemplare bei Messen und größeren Feiern, es ließ sich eigentlich ganz gut an. In Mittenwald sprangen sie einmal beim Christkindlmarkt für einen anderen Stand ein und hatten schon nach drei Stunden keine Ware mehr am Stand. Épique, das Start-up für gesundes Süßes, war gegründet.

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Dann kam Corona. Mit einem Schlag waren die ersten guten Kunden wieder weg. Damit die Ware nicht verdarb, stellten sie Fotos von den Schnittchen auf Instagram und dazu ihren Kontakt. "Wir waren innerhalb von zwei Stunden komplett ausverkauft", erzählt Eva. Langsam dämmerte ihnen, welches Potenzial in dem ganzen selbstgemachten Süßkram tatsächlich steckte.

So ging es also weiter, sie machten unter www.epiqueraw.com ihren Onlineshop auf. Voraussichtlich Ende Oktober geht's ins Analoge, dann eröffnen sie mit einem anderen Start-up, Greens & Grains, einen eigenen Laden am Max-Weber-Platz 11. Dann soll auch der deutschlandweite Versand starten. Sieht so aus, als ob nicht nur die Liebesgeschichte der beiden eine Zukunft hat.

© SZ vom 08.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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