Münchner Momente:Geschichtsverlust auf der Festwiese

Lesezeit: 1 min

Der erste Biertrinker ist schon da: Auf der Theresienwiese laufen gerade die Aufbauarbeiten für das Frühlingsfest, das am 22. April starten soll. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Hoffentlich können sich die Münchner eines Tages noch an das Oktoberfest erinnern, denn dort entstehen gerade ganz neue Traditionen.

Glosse von Franz Kotteder

Die vergangenen zwei Jahre hätte man Dieter Reiter problemlos auch Oktoberbürgermeister nennen können, so oft ist er gefragt worden, ob es wieder eine Wiesn geben würde. Wie ernst die Zeiten geworden sind, lässt sich daraus ablesen, dass diesbezüglich seit etwa fünf Tagen gar nichts mehr von ihm zu hören ist: Funkstille! Wortkarger ist sonst nur noch der Kanzler. Und immer noch keine Schlagzeile auf den Münchner Zeitungskästen: "Wie weiter mit der Wiesn: Macht Dieter jetzt den Olaf?" Kann es sein, dass München nach zwei Jahren Pause das Interesse am Oktoberfest schon verloren hat, Neuankömmlinge gar nicht mehr wissen, was das mal gewesen ist? "Theresienwiese? Das ist doch da, wo man mit dem Auto ins Testzelt fahren kann, oder?"

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Immerhin: Um dem drohenden Geschichtsverlust entgegenzuwirken, wird gerade ein temporäres Pop-up-Mahnmal auf der Festwiese errichtet. Ein (derzeit noch) halbes Riesenrad gemahnt dort an 212 Jahre Volksfestvergangenheit. Das Ganze trägt den Titel "Frühlingsfest" - ob dort sonst noch was geschieht, ist derzeit unklar. Mit dem Oktoberfest ist es jedenfalls nicht vergleichbar, sonst gäbe es dort auch Wiesnwirte, eine Bierpreisdebatte und jede Menge anderer Dinge, die zur Klischeebildung taugen.

Restaurants
:Die zehn besten bayerischen Wirtshäuser in München

Wo es am urigsten ist und wer noch urbayerisches Essen serviert. Die Lieblinge aus der SZ-Redaktion.

Früher soll es auf der Theresienwiese auch Umzüge gegeben haben, die nicht von Querdenkern, sondern von Trachtlern und Schützen organisiert wurden. Lange her. "Die ganz die anderen", wie der korrekte bayerische Begriff für diese Personengruppe lautet, aber machen weiter. Am Samstag versammelte sich eisern der traditionsreiche Autokorso wieder auf der Theresienwiese, um dem Slogan: "Impfzwang ist die rote Linie!" hinterherzudieseln. Offenbar wohnen einige Autofahrer doch noch so weit hinter dem Mond, dass sie vom Scheitern der Impfpflicht im Bundestag gar nichts mitbekommen haben. Kommt das Oktoberfest, dann verlieren sie jedoch ihren Startplatz auf der Matthias-Pschorr-Straße. Kommt aber die Herbstwelle und es muss gar die aufgebaute Wiesn abgesagt werden, so könnten sie vielleicht von der Wirtsbudenstraße aus starten, zwischen lauter leeren Bierzelten. Symbolträchtig wäre das!

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusTrachtenvereine
:Im Kindergarten auf Nachwuchssuche

Wie können Trachtenvereine attraktiv bleiben und Kinder und Jugendliche für sich gewinnen?

Von Xaver Lallinger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: