Bilanz zum Auftakt:Feiern auf der Wiesn: Ein kleines bisschen aus der Übung

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OB Reiter brauchte dieses Jahr einen Schlag mehr fürs Anzapfen. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Nach zwei Jahren Corona-Pause zapft der Oberbürgermeister mit drei Schlägen an. Zu spüren ist, wie groß die Sehnsucht der Besucher nach der Wiesn war - sie feiern begeistert, aber ohne Masken. Und obwohl weniger Menschen als sonst kommen, atmen Wirte und Schausteller auf.

Von Nicole Graner und Franz Kotteder

Zweimal ist die Wiesn ausgefallen, das macht insgesamt fast drei Jahre Pause. Drei Schläge brauchte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) dieses Jahr zum Anzapfen, statt der üblichen zwei, in den letzten Jahren vor der Corona-Pause. Zahlenmystiker mögen da einiges herauslesen, für die Gäste der Anzapfaktion im Schottenhamel-Festzelt war lediglich klar: Der Oberbürgermeister, kein Wunder, war halt ein kleines bisschen aus der Übung. Umso besser, dass die Pause nicht noch einmal um ein weiteres Jahr verlängert wurde.

Das Aufatmen war an diesem ersten Wiesn-Wochenende vor allem bei den Wirten und den Schaustellern zu vernehmen. Insgeheim hatte man doch Befürchtungen, dass viele Leute dem Oktoberfest in diesem Jahr fernbleiben würden, selbst wenn sie reserviert hatten. Offiziell hatten die Wirte zwar immer gesagt, der Andrang sei groß gewesen und Stornierungen gebe es kaum. Sprach man sie aber in den letzten Tagen mit der Zusage an, sie nicht zu zitieren, sah die Sache etwas anders aus. Tatsächlich hatte es doch einige Stornierungen aus Angst vor einer Ansteckung gegeben - wie gut, dass es die Einrichtung der Warteliste gibt und Nachrücker sich über freie Tische freuen. Viele Wiesngänger, hieß es, würden zwar gerne im Biergarten vor oder neben den Zelten sitzen, aber nicht drinnen.

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"Es war ein schöner Auftakt, die Zelte waren gut gefüllt"

Die Frage: Drinnen oder draußen?, stellte sich jedoch am Samstag und Sonntag gar nicht. Weil das Wetter recht regnerisch und arg kühl war, zog es die Biertrinker in die Zelte hinein. Die waren an beiden Tagen einigermaßen gut gefüllt, manche mussten sogar zeitweise geschlossen werden, wegen Überfüllung, und am Sonntag hatten die Teilnehmer des Trachten- und Schützenzuges ohnehin ihre Sitzplatz-Kontingente. Wirtesprecher Peter Inselkammer vom Armbrustschützenzelt zeigte sich jedenfalls zufrieden: "Es war ein schöner Auftakt, die Zelte waren gut gefüllt." Draußen in den Biergärten, die bei den meisten Zelten immerhin fast ein Viertel des Fassungsvermögens ausmachen, sei wegen des schlechten Wetters nur sehr wenig gelaufen, "aber es soll ja am Dienstag besser werden".

In den Biergärten blieb es wegen des schlechten Wetters leer. (Foto: Alexander Pohl/imago)

Leer war es nicht nur in den Biergärten. Auch auf den großen und kleinen Straßen des Festgeländes ging es recht übersichtlich zu, was ebenfalls am Wetter liegen dürfte. Regenschauer und Schafskälte luden nicht gerade dazu ein, in Fahrgeschäften zu frieren oder eine Fischsemmel im Freien zu verzehren.

Und so sprach Markus Strobl, Pressesprecher der Aicher Ambulanz Union, nicht vom Andrang, als er sagte: "Der war riesig!" Vielmehr meinte er damit einen 16-jährigen Münchner, der am Samstag hochalkoholisiert gegen 14.30 Uhr in die Sanitätsstation auf der Wiesn gebracht worden war. Der junge Mann habe gar nicht so viel getrunken, aber für ihn habe es "eindeutig" gereicht. "Stehen konnte er jedenfalls nicht mehr alleine", sagte Strobl. Und erzählte, dass die allererste Person, die an diesem ersten Wiesn-Wochenende eindeutig zu viel Bier getrunken hatte, eine 20-jährige Nürnbergerin war.

Rund 300 000 Menschen weniger als 2019 kamen in diesem Jahr zum Wiesn-Auftakt. (Foto: Alexander Pohl)

Der erste Patient im Computertomographen war ein Franzose

Und auch der mobile Computertomograph (CT), den Dieter Reiter bei der Vorbesichtigung als "eigentliche Sensation dieser Wiesn" hervorgehoben hatte, kam am Samstag gleich zum Einsatz. Weil ein nicht alkoholisierter Tourist aus Frankreich unglücklich gestürzt war und Kopfverletzungen erlitten hatte, wurde er als erster Patient im Wiesn-CT untersucht. Besonders bei stark blutenden Wunden kann man damit schnell überprüfen, ob eine möglicherweise tödliche Hirnblutung vorliegt und der Patient in eine Intensivstation gebracht werden muss.

Verletzte gab es auch in der Sanitätsstation selbst. Ein 24-jähriger Mann, der seinen Rausch im Ruhebereich ausschlafen sollte, griff während der Behandlung plötzlich zwei Sanitäter an. Für sie war der Dienst dann gegen 21 Uhr zu Ende: Sie erlitten Kopfverletzungen. Die weitere Bilanz des ersten Wochenendes: eine Knieverletzung, ein Sturz, Wundversorgungen. "Das war ein ruhiger Start", sagt Strobl. 311 Patientinnen und Patienten wurden auf der Sanitätsstation versorgt. 2019 waren es am ersten Wiesn-Tag bereits 558.

Auch die Polizei spricht von einem "ruhigen Wiesn-Auftakt". Ein Drogendelikt, die Festnahme von zwei europaweit bekannten Taschendiebinnen und von Tierschutz- und Klimaktivisten: Wie die Polizei mitteilt, nutzten diese nämlich eine Lücke beim Einzug der Wiesnwirte und setzten sich kurz vor dem Haupteingang zum Oktoberfest einfach auf die Fahrbahn. Sechs Frauen und drei Männer im Alter zwischen 22 und 50 Jahren hielten Plakate hoch. Sie wurden, nicht ganz freiwillig, von der Fahrbahn entfernt. Insgesamt hatte die Polizei am ersten Tag der Wiesn zehn Einsätze weniger als 2019. Vor allem die Zahl der Körperverletzungen sei zurückgegangen, hieß es.

Bis 16 Uhr waren sechs Ochsen verspeist

Insgesamt rund 700 000 Besucher seien zum Wiesn-Auftakt gekommen, heißt es laut Schätzungen der Festleitung. Das wären rund 300 000 weniger als 2019. Doch so eine Wiesn ohne allzu große Menschenmassen hat also auch ihre Vorteile. Immerhin kann man sagen, dass in der Ochsenbraterei bis 16 Uhr sechs Ochsen verspeist wurden. An einem guten Eröffnungswochenende mit starkem Andrang und gutem Wetter sind es zehn, den Abend eingeschlossen.

Auch Hans Spindler, Leiter der Veranstaltungsabteilung im Wirtschaftsreferat, den man Sonntagmittag auf der Oidn Wiesn vor dem Festzelt Tradition trifft, spricht von einem "sehr ruhigen Beginn, aber das ist natürlich auch dem Wetter geschuldet".

Wegen des anhaltenden Regens blieben auch viele Fahrgeschäfte so gut wie leer. (Foto: Alexander Pohl)

Dennoch, man ist also fast überall auf dem Festgelände zufrieden. Es ist ja schon schön, dass die Wiesn überhaupt wieder stattfinden kann. Und wenn der zweimalige Ausfall nicht mehr Folgen hat, als dass der OB einen Schlag mehr braucht, dann ist ja alles gut. Ansonsten bleibt für die nächsten Tage und Wochen das Prinzip Hoffnung.

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