Österreich:Schadensanfällig

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Ob beim Fahrrad oder auf der politischen Bühne: Es gibt immer etwas zu reparieren. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In Österreich gibt es vieles, das einer Reparatur bedarf: das Staatsbürgerschaftsgesetz zum Beispiel. Oder das Verhältnis der ÖVP zur Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Von Cathrin Kahlweit

Vor Kurzem stand ich mit meinem Fahrrad an der Ampel vor dem Volksgarten in Wien, wo ich die Rosenpracht bewundert hatte, blickte ebenso bewundernd auf das Parlament gegenüber, dessen Dornröschenschlaf nach langem Umbau gerade zu Ende geht, und wartete darauf, dass endlich Grün wird, als neben mir eine Dame mit ihrem Radl stoppte. Ich halte nicht immer bei Rot, das muss ich gestehen, aber der Ring ist selbst für passionierte Freundinnen der kleinen Ordnungswidrigkeiten, wie ich eine bin, ein unüberwindbares Hindernis. Und weil wir zwei so friedlich nebeneinanderstanden im Abendlicht an diesem magischen Ort zwischen Rathaus, Burgtheater und Hofburg, dort also, wo Wien immer besonders herrschaftlich und makellos wirkt, bewunderte ich gleich auch noch das schöne Kleid der Dame neben mir.

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Wir kamen ins Gespräch - und sind es seither. Tina Zickler ist nämlich Kuratorin, sie hat schon eine Reihe erfolgreicher Festivals in der Stadt organisiert, das spektakulärste war wahrscheinlich im vergangenen Jahr "Memento Mori" - ein Kulturfestival rund um den Tod.

Jetzt hat sie nachgelegt. Und weil, wie der legendäre Georg Kreisler wusste, nicht nur der Tod ein Wiener sein muss, sondern auch die Politik in Österreich sehr schadensanfällig ist, passt das neue Thema schon wieder super zu Stadt und Land: "Re:pair", heißt es, das Leitmotiv lautet: "Konsumierst du noch, oder reparierst du schon?"

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Abgesehen davon, dass ich mich frage, ob man neben Fahrrädern, Lampen, Kleidern und Geräten, wie Zickler anregt, auch die Seele, das Karma, den Körper und die Natur nachhaltig aus- und verbessern kann, hat mich das Repair-Festival, das an diesem Wochenende beginnt, tatsächlich sehr nachdenklich gestimmt. Wäre das nicht die perfekte Gelegenheit, um auch in der österreichischen Politik so einiges zu reparieren? Das Staatsbürgerschaftsgesetz, das ORF-Gesetz, das Klimaschutzgesetz? Oder, eine Nummer kleiner, das Verhältnis der ÖVP zur Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die Beziehung von Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil?

Man würde sich gern wundern, was alles möglich ist, wenn die Stadt Wien ihren Reparaturbonus mal für die Bund-Länder-Beziehungen in Sachen erneuerbare Energien einsetzen würde. Oder auch nur für eine echte Reform der MA 35, der Einwanderungsbehörde. Aber Schluss mit dem Träumen. Das Leben ist kein Festival der Möglichkeiten.

Stattdessen ist Krise und Krieg, oder besser Krise wegen Krieg, wohin man schaut. Der paranoide Diktator im Kreml arbeitet an der Zerstörung einer ohnehin höchst unperfekten Weltordnung, er wirft weg, was es an Verständigungsmöglichkeiten und letzten ideellen Gemeinsamkeiten noch gab, und die Welt kommt mit dem Reparieren gar nicht mehr hinterher. Die Ukrainer zahlen dafür den höchsten Preis, aber Putin treibt auch den Preis für den Westen gerade hoch und höher. Am 24. Oktober wird auf dem Re:pair-Festival ein Film gezeigt, er heißt: "Tomorrow - die Welt ist voller Lösungen". Zumindest das stimmt immer noch.

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