Streit um Funkmasten:Am Ende zahlen die Bürger für Digitalfunk

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Die Einführung des Behördenfunks ist beschlossene Sache. Doch in Starnberg regt sich Unmut - nicht nur um die Standortfrage. Im Fokus stehen auch die Kosten.

P. Haacke

Die bundesweite Einführung des Digitalfunks für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben - kurz BOS - gilt als beschlossene Sache. Doch es regt sich auch Protest: Insbesondere die vorgesehenen Standorte für die Funkmasten der neuen Technik, die das analoge Funksystem ablösen wird, sind Stein des Anstoßes.

Auch im Landkreis Starnberg ist der Unmut groß: Im Gautinger Ortsteil Königswiesen gab es im Herbst 2009 eine Demonstration, in Herrsching wurde ebenso wie in Feldafing eine Unterschriftenliste überreicht. Und in Starnberg ist die Standortfrage des Funkmasten an diesem Mittwoch um 19.30 Uhr Thema einer Bürgerversammlung in der Schloßberghalle. Doch auch die Kosten stehen im Fokus, denn umsonst wird es die neue Technik nicht geben. Mittlerweile kristallisiert sich heraus: Am Ende zahlen alles die Bürger.

Ursprünglich hätte BOS schon 2006 funktionieren sollen, doch auch bis Ende 2012 wird das System wohl kaum verfügbar sein. Viele Experten rechnen gar frühestens 2014 mit dem Start des bundesweiten Digitalnetzes. In Bayern sollen insgesamt 945 leistungsstarke Funkmasten aufgestellt werden, doch erst 570 Standorte sind gefunden. Die im Auftrag der Staatsregierung mit der Grundstücksakquise beauftragte Firma Telent ist unter Druck: Bis Anfang 2012 müssen sie alle Standorte zusammen haben.

Die Finanzierung für das Netz scheint zu stehen. Doch viele Organisationen - darunter Feuerwehren, Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), oder das Bayerische Rote Kreuz (BRK) mit Anschlussorganisationen wie Wasserwacht und Rettungsdiensten - erwarten erhebliche Kosten, die bisher unberücksichtigt blieben. So rechnet Starnbergs Kreisbrandrat Markus Reichart derzeit mit einer Kostenerstattung in Höhe von bestenfalls 80 Prozent durch das Innenministerium - aber nur für die BOS-Erstausstattung für digitale Funkgeräte in Fahrzeugen, Handsprechgeräte und Funkmeldeempfänger.

Die Umstellung erfordert aber auch den Einbau des Systems, neue Kabelbäume, Antennen sowie die Einstellung der Technik. "Über die Kosten dafür ist noch gar nicht gesprochen worden", sagt Reichart. Insgesamt 44 Feuerwehren im Landkreis und knapp 150 Fahrzeuge müssen umgerüstet werden, doch selbst "200 digitale Geräte reichen wohl nicht", sagt der Kreisbrandrat. Derzeit laufen landesweit Bedarfsabfragen mit technischen Details zum Förderprogramm, welche Summe unter Strich herauskommt, ist unklar. Doch Reichart weiß auch: Alle Kosten, die der Freistaat nicht übernimmt, müssen am Ende die Kommunen begleichen.

Leichter fällt der Polizei die Umstellung: Das Innenministerium verantwortet die Umrüstung der Polizeifahrzeuge - im Landkreis Starnberg knapp 25 - und der jeweiligen Dienststellen. Auch das Technische Hilfswerk (THW), dessen Fahrzeuge weitgehend schon auf die neue Technik vorbereitet sind, blickt der Umstellung auf Digitalfunk gelassen entgegen: der Bund zahlt.

Anders ist es bei der DLRG: Die gemeinnützige und selbstständige Wasserrettungs- und Hilfsorganisation wirbt mittlerweile deutschlandweit unverhohlen um Spenden. In Bayern hat der Verein rund 32000 Mitglieder. Neben 180 Booten müssen auch 160 Fahrzeuge und mehr als 130 Wachstationen umgerüstet werden. Doch Geld gibt es laut Bernd Hauke, DLRG-Geschäftsführer in Bayern, nur für Funkgeräte. "Welche Kosten da sonst noch auf uns zukommen, wissen wir noch nicht", sagt Hauke. Gegebenenfalls müssten die jeweiligen DLRG-Ortsgruppen selbst Spenden akquirieren. Allerdings gebe es dazu noch keine Zahlen: "Wir warten täglich selbst auf neue Informationen". Hauke begrüßt grundsätzlich die Einführung des Digitalfunks, weiß aber auch: "Da wird es noch Probleme und Überraschungen geben".

Lediglich mit 80 Prozent Kostenerstattung können Katastrophenschutz, Sanitäts- und Rettungsdienste rechnen. Die restlichen 20 Prozent sowie Einbau und Schulung müssen die Organisationen selbst tragen. Für Berg- und Wasserrettungsdienste beschafft das Innenministerium nur die Geräte; Einbau und Schulung der Mitarbeiter müssen die Dienste selbst tragen. Land- und Luftrettungsdienste dagegen müssen die Kosten voraussichtlich komplett übernehmen - und legen diese folgerichtig auf die Benutzer um. Im Klartext: Die momentan ohnehin schwer gebeutelten Krankenkassen müssen künftig noch mehr zahlen.

Auf Landesebene beschäftigen sich Arbeitsgruppen der betroffenen Organisationen mit dem Thema, berichtet Walter Kohlenz, Pressesprecher des BRK und der DLRG im Landkreis Starnberg. Seiner Einschätzung nach wird die Umstellung "noch richtig Kohle kosten", dementsprechend sei "Kreativität beim Geldbeschaffen gefordert". Zwar ist die Thematik noch nicht abschließend geklärt, doch eines ist gewiss: "Manche Hilfsdienste werden auf den Kosten infolge der Umstellung sitzen bleiben".

© SZ vom 14.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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